Die Erfindung des Jazz im Donbass
Priester vorsichtig, aber energisch zum Fahrer hin und schlug in einer unglaublichen Verrenkung die Tür hinter sich zu. Die bauschige Milano-Jacke umfing Tolik und den Priester wie ein Airbag. Der dicke Goscha und sein Sohn kletterten auf die Hinterbank. Als sie die Frau sahen, Tamara, begannen sie, sich bei ihr zu entschuldigen. Ich kroch als Letzter hinein und musste Sirjoscha auf den Schoß nehmen. Ich konnte die Musik hören, die aus seinen Kopfhörern tönte, sie gefiel mir nicht. Sjewa setzte die Brille auf und sah fragend den Priester an, der gab aus der Milano-Jacke Zeichen, fahr los, mein Sohn. Der Wolga ruckelte und rollte über den Feldweg. An einigen Stellen wuchs der Mais so dicht am Wegrand, dass er die Kotflügel streifte. Tolik wies den Weg und schwang dabei seine Ärmel wie Flügel. Eine Zeitlang kletterte der Wagen den Hügel hoch, dorthin, wo es Empfang gab und wo die Bauern auf uns warteten. Plötzlich wies Tolik mit der Hand nach links. Sjewa bremste und sah nochmals seinen einäugigen Passagier an, der winkte stur zur Seite. Also drehte der Fahrer das Lenkrad und wir tauchten ins trockene, knisternde Maisdickicht ein, das im Sonnenlicht leuchtete und uns blendete. Hier gab es einen kaum sichtbaren, aber festen Weg, der durch das Herz des Maisdschungels führte und uns vor bösen Blicken verbarg. Wir fuhren langsam, brachen durch die Blätter und lauschten den zufälligen Geräuschen, die aus den sonnendurchfluteten Pflanzen klangen. Der Wolga kroch im Schneckentempo, drinnen stand dick der Sonnenstaub, der jedes Mal aufgewirbelt wurde, wenn das Auto in ein Loch geriet.
Wir erreichten abgemähte Felder, überquerten den frisch gepflügten Ackerstreifen und rollten nun auf einem mit Backsteinscherben bedeckten Weg. Um uns war Leere, der Reif trocknete an den Grashalmen, die Sonne stieg höher und höher. Wir fuhren endlos lang, vielleicht wollte der Einäugige unsere Spuren verwischen, keine Ahnung. Plötzlich hörten die Felder auf, und wir standen vor einem breiten Tal, das sich in östliche Richtung erstreckte. Die Straße fiel steil ab, in der Talsohle standen etwa ein Dutzend gleichförmiger zweistöckiger Häuser, wohl noch in den achtziger Jahren erbaut. Die Siedlung endete mit langen Lagerhäusern, dahinter begannen Obstplantagen, und noch weiter entfernt breiteten sich bis zum Horizont gelb die Wiesen aus. Dort im Osten zog sich ein Deich oder Damm den Horizont entlang, von weitem konnte man es nicht genau erkennen, obwohl seine Konturen ziemlich klar hervortraten.
– Was ist das? – fragte ich den Bierbauch.
– Die Grenze, – antwortete er kurz und verstummte, in Gedanken vertieft.
Sjewa schaltete den Motor aus und wir rollten schwer hinab. Die Straße war kaputt wie das Rückgrat eines Hundes, der unter einen Lastwagen geraten war. Wir fuhren ins Tal hinunter und stoppten in der Mitte eines kleinen Platzes. An der Seite stand ein recht großes Gebäude mit welligem Asbestzementdach und künstlichen Säulen. Auf der Treppe eine Schar Einheimischer, etwa vierzig Personen. Sie schienen auf uns gewartet zu haben.
Wir spürten die festliche Stimmung sofort, die hier herrschte. Die Männer trugen überwiegend dunkle billige Anzüge, grelle Krawatten und blank geputzte Schuhe. Die Frauen sahen abwechslungsreicher aus – einige trugen Kleider, andere weiße Blusen zum schwarzen Rock, wieder andere, die jüngeren, reichlich mit Strass verzierte Jeans. Manche hatten sich Mäntel, andere Lederjacken übergeworfen, ein paar waren im Trenchcoat gekommen, obwohl die Sonne die Herbstluft bereits aufgewärmt hatte und es hier unten lau und angenehm war wie an der Südküste der Krim. Sie empfingen uns mit fröhlichem Lärmen. Wir kletterten aus dem Wolga und glätteten unsere zerknitterten Kleider – zuerst Tolik in seiner Jacke und der Prister im schwarzen Sakko und mit der Mappe in der Hand, gefolgt von Sjewa, ebenfalls im Anzug, der allerdings rötlich und verdächtig aussah, und mit Sonnenbrille. Dann waren wir an der Reihe – Sirjoscha mit den Buchstaben D&G auf den Gesäßtaschen, ich im blau schillernden Anzug, in dem ich einem sowjetischen Schlagerstar der siebziger Jahre ähnelte, danach Goscha in seiner weißen, mit gelber Ölfarbe bekleckerten Latzhose und schließlich Tamara. Sie stieg als Letzte aus und blickte sich ängstlich um. Sie trug einen warmen, kirschroten Pullover und einen langen Rock. Dazu Stöckelschuhe mit hohen spitzen Absätzen, die sofort im Sand
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