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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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wieder auf. Kotschas Verwandte, die Vertreter des Clans, hielten mich aber bereits für einen der ihren, auch sie kamen ab und zu angefahren und berichteten mir von allen möglichen Gemeindeangelegenheiten. Kotscha und ich gingen ein paar Mal zu ihren Gottesdiensten, hielten aber nie bis zum Ende durch. Er zog mich jedes Mal in die Küche, wo er die Weinvorräte fand und sich sofort über sie hermachte. Auch Tamara kam manchmal vorbei, grüßte befangen, schien etwas erzählen zu wollen, fand aber nicht die richtigen Worte, und ich zeigte meinerseits kein gesteigertes Interesse daran, etwas von ihr zu erfahren. Es gibt Dinge, zu denen man besser Distanz hält. Das Intimleben anderer zum Beispiel.
     
    Der Oktober kam mit Sonne und Schatten, Sandstürmen und üppig verwelkendem Grün. Die Morgen waren sonnig, aber kühl, die Zyklone konnten jeden Tag kommen. Ich wachte widerwillig auf, schleppte mich nach draußen und wusch mich, zitternd vor Kälte, unter der Handwaschbrause. Die Zahnpasta war über Nacht zu Speiseeis gefroren. Um die Zapfsäulen waberte der Nebel. Der Herbst gewann an Kraft; es war Zeit, sich auf Dunkelheit und Schnee einzustellen.
     
    Und dann ereignete sich diese Geschichte mit der Kirche an der Grenze. Es fing so an: Der Priester sollte irgendwohin fahren, Richtung Osten, um ein Paar aus seiner Gemeinde zu trauen. Da die Reise ans Ende der Welt führte, beschloss er, in einer größeren Gruppe zu fahren. Die Gemeinde stellte ihm einen verrotteten, weißen Wolga mit Fahrer zur Verfügung und bat Tamara mitzufahren, um Normalität zu signalisieren. Kotscha sollte sich anschließen, beim Spenden des Sakraments helfen und überhaupt Rückendeckung geben. Ein paar Tage vor der Reise war ein alter Bekannter vorbeigekommen, er und Kotscha hatten zusammengesessen, die beiden Knastbrüder hatten sich Wein besorgt und bis spät in die Nacht hinein Gefängnislieder gesungen, ohne auf die tückische Nacht und ihren frostigen Herbstatem zu achten. Am nächsten Morgen konnte Kotscha kaum noch krächzen, sein Kumpan erklärte sich bereit, mit dem Fahrrad ins Tal zu fahren und Medizin zu holen, und ward nicht mehr gesehen. Das Fahrrad übrigens auch nicht. Kotscha lag auf dem Sofa und trank heißen Tee, den er reichlich mit Alkohol verdünnte. Er bat mich, an seiner Stelle zur Trauung fahren. So was kommt in einer großen Familie schon mal vor.
    – Warum geht es nicht ohne mich? Ich hab null Ahnung davon, das weißt du doch.
    – Harry, – röchelte Kotscha, – dort sind genug Leute, die Ahnung haben. Entspann dich. Sei einfach mit dabei, und gut ist. – Seine Stimme machte schlapp wie ein Akku. – Du siehst doch, dass ich nicht kann.
    – Und warum solltest du überhaupt mit? – fragte ich, immer noch unfähig zu verstehen.
    – Es ist schlecht, wenn nur Zigeuner fahren. Es muss ein Normalo dabei sein. Zur Absicherung.
    – Und was für Probleme haben die mit Zigeunern?
    – Verstehst du Harry, das sind Wilde. Die vertrauen sich nicht einmal gegenseitig. Und dann noch Zigeuner. Ich würde dich gar nicht behelligen, aber es ist eine Familienangelegenheit. Und du bist wie ein Bruder für uns. Zieh meinen Anzug an. Sonst siehst du wie ein Kriegsgefangener aus. Los, Harry, man muss das Leben an der Gurgel packen.
    – Was sind denn das überhaupt für Leute? – fragte ich hartnäckig nach.
    – Schieber und Schmuggler, – erklärte Kotscha. – Die leben dort alle davon. Direkt an der Grenze. Ein Leben, wie Gott es ihnen bestimmt hat.
    – Und werden sie auch mal geschnappt?
    – Werden sie, klaro. Die einen schnappt man, die anderen lässt man laufen.
    – Und wie sind sie an euch geraten?
    – Sie machen irgendwelche Geschäfte mit unseren Leuten, – antwortete Kotscha. – Unsere Männer verkloppen chinesische Sanitärtechnik an sie, die bringen sie über die Grenze, schlagen sie in Rostow um und verfrachten sie als italienische Ware wieder nach China. Und wo Business ist, da ist auch Glaube, Harry.
    – Klar.
    – Sie kommen zu unseren Versammlungen, holen sich Bücher, spenden was für die Kirche. Obwohl das nicht ausschlaggebend ist.
    – Nein?
    – Nein. Wem sollte man das Wort Gottes verkünden, wenn nicht denen?
    – Und nach welchem Ritus zelebriert unser Pope die Messen?
    – Nach seinem eigenen. Hauptsache Friede in der Seele. Und warme Füße. – Damit verkroch sich der kranke Kotscha unter seiner Decke.
     
    Am Samstag holten sie mich frühmorgens ab. Ich zog Kotschas Anzug an,

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