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Die Erfindung des Lebens: Roman

Die Erfindung des Lebens: Roman

Titel: Die Erfindung des Lebens: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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wollen sofort, auf der Stelle, so nahe zusammen wie möglich, weshalb sie sich angewöhnt haben, eine sehr leichte Kleidung zu tragen, einfache, dünne, leicht abzustreifende Hemden und Hosen, ein Nichts von Kleidung über den nackten Körpern.
    Unter dieser leichten, sommerlichen Kleidung spüren sie auch während der Abwesenheit des anderen ihre Nacktheit, es ist gut, diese Nacktheit den ganzen Tag über zu spüren, der Körper geht viel stärker auf die Umgebung ein und reagiert ununterbrochen auf ihre Reize, so macht die gespürte Nacktheit aus ihm ein sensibles Instrument mit einem feinen, exakten Sinn für Erotik, Rom, findet der junge Mann, ist ein Universum an erotischen Begegnungen, immerzu findet er Neues, das ihn erregt und beschäftigt, von den Besuchen der großen Märkte in der Nähe der Stazione Termini bis hin zu den nächtlichen Spaziergängen an den dunklen, tiefliegenden, einsamen Ufern des Tibers.
     
    Sind der junge Mann und seine Freundin aber einmal mit Freunden oder Bekannten zusammen oder irgendwo unterwegs, spüren sie nach einer Zeit eine gewisse Nervosität, sie entsteht durch die Anwesenheit der anderen, die sie daran hindern, nur miteinander zu sprechen oder sich so zu berühren, wie sie sich nun einmal berühren müssen, um ein Durchdrehen und Ausrasten der Körper zu verhindern, es kommt dann immer wieder zu der seltsamen Szene, dass sich einer von ihnen aus dem Kreis der Freunde entfernt und der andere ihm wenig später folgt, es geht nicht anders, zumindest für ein paar Minuten müssen sie ausschließlich zu zweit sein, sich berühren, sich vergewissern, wie vollkommen und hingebungsvoll der Körper des anderen dem Verlangen des eigenen Körpers entspricht.
    Leicht in Trance, aber getrennt kommen sie dann wieder zu den Freunden zurück, einmal ist ihre gleichzeitige Abwesenheit aufgefallen und hat nach ihrer Rückkehr für Gelächter gesorgt, sie scheren sich darum nicht und kümmern sich auch nicht darum, dass sie beneidet werden. Meist kleidet sich der Neid in die Kritik, dass die beiden zu häufig und jeweils zu lange zusammenseien, sie hören sich so etwas an und erwidern nichts, es gibt darauf nichts zu erwidern, ihre Liebe hat zu einer gegenseitigen Bindung geführt, die etwas Magnetisches und Dämonisches hat, es ist ein Zauber, so nennt es der junge Mann, ja es ist, als hätte ihnen jemand eine Droge verabreicht, die sie nicht mehr ruhen und vernünftig denken lässt, sondern eine ununterbrochene Sehnsucht bewirkt, einander so häufig wie möglich nahe zu sein.
     
    Lange haben sie darüber gesprochen, ob sie diese Nähe noch dadurch verstärken wollen, dass sie zusammenziehen, sie haben sich jedoch dagegen entschieden. Sie schlafen nachts nicht zusammen in einem Bett, sie möchten nicht erleben, wie der andere einschläft und morgens erwacht, nein, das alles wollen sie nicht sehen und nicht erleben. Viel stärker ist nämlich der Reiz der Entbehrung und der stundenlangen Askese, das einsame Schlafen während der Nacht und der erste Gedanken am Morgen daran, den anderen wiederzusehen. Außerdem können sie sich ihre geschmeidigen und beweglichen Körper nicht in Betten oder in geschlossenen Räumen vorstellen, sie liefern diese Körper lieber laufend anderen Umgebungen aus, sie suchen unentwegt nach Verstecken und geheimen Terrains, wo sich diese Körper in Windeseile oder in langsamer Verzögerung ineinander auflösen.
    So sind sie in ganz Rom und seiner weiten Umgebung unterwegs, sie haben etwas Lektüre und etwas Ess- und Trinkbares dabei, aber sie verwenden für diesen Transport nie eine feste Tasche oder ein anderes Accessoire, nein, sie kaufen ein und stecken alles in eine leichte, im Wind flatternde Busta, die sich bis zum Abend hin leert und dann in einem Papierkorb verschwindet. So leicht und luftig wie ihre Kleidung ist diese Busta , und so leicht und vor allem spurenlos soll das ganze Leben sein, ein Flug, ein Gleiten durch den weiten Raum der Ewigen Stadt, ein Umherstreifen an ihren Stränden und Schilfzonen am Meer, eine stundenlange, mittägliche Siesta in den kleinen Weinorten der Castelli.
     
    Wenn sie aber doch einmal eine ganze Nacht miteinander im Freien verbringen, legen sie es oft darauf an, in gesperrte Bezirke wie das alte Gelände der Foren oder des Palatin einzudringen. Dort hineinzukommen, ist ganz einfach, sie verbringen den Nachmittag und den Abend in einem solchen Gelände und verstecken sich dann eine Weile, bis die Wärter bei einbrechender

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