Die Erfolgsmasche
ein: »Aber Hauptsache, die Kohle stimmt. Insofern werd ich jetzt mal wieder Kolumnen schreiben gehen.«
Ich presse die Fäuste an die Wangen und starre ihn an. Bitte, Alex, sag jetzt nichts Falsches! Mein Herz hämmert, und ich bete, dass dieses Telefonat ganz schnell vorübergeht.
»Freut mich, dass Ihnen mein Geschreibsel gefällt.« Alex grinst mich an und hebt den Mittelfinger. »Nee, keine Sorge. Da fällt mir immer was ein. Aber jetzt muss ich echt aufhören, hab echt noch was zu tun.«
Er drückt das Gespräch weg und reicht mir den Hörer. »Na? Zufrieden?!«
»Ja, sehr«, hauche ich dankbar und presse das Telefon an meine hämmernde Brust.
Als Alex mit lautem Türenknallen in seinem Zimmer verschwunden ist, lasse ich mich an der Wand herabgleiten. Gleich wird sie wieder anrufen und zischen: »Sie können mich nicht für dumm verkaufen, Frau Rheinfall! Das war niemand anderer als Ihr achtzehnjähriger Sohn! Für wie blöd halten Sie mich eigentlich?« Aber das Telefon bleibt stumm.
12
Statt meiner morgendlichen Joggingrunde radele ich nun jeden Morgen nach Freilassing und stehe schon um acht Uhr früh in der Post. Ich musste mir ein zweites Postfach dazumieten und habe mir vorn und hinten einen Fahrradkorb anbringen lassen. Auf dem Rückweg komme ich mir vor wie ein überladener Briefträger. Es gibt Tage, da muss ich den Drahtesel schieben.
Täglich werde ich geradezu überschwemmt von Zuschriften und Briefen, die alle mit »Sehr geehrter Herr Richter« beginnen und weitergehen mit »Ich verschlinge alle Ihre Kolumnen und lerne sie regelrecht auswendig«. Dann heißt es meist: »Aber auch meine Geschichte ist wahnsinnig spannend, ich habe nämlich Schlimmes durchgemacht, ich wurde von meinen Eltern/meinem Mann/meinen Kindern/vom Schicksal geschlagen. Bestimmt können Sie aus meiner Lebensgeschichte einen Bestseller machen. Ich würde sie Ihnen gern bei einem Glas Wein/einer Tasse grünem Tee/einem Kaffee/einem gemütlichen Abendessen bei mir zu Hause erzählen. Gern dürfen Sie mein Leben aufschreiben/meinem Leben einen Sinn geben/mein Leben mit Ihrer Anwesenheit bereichern/mir aber auf jeden Fall schnellstmöglich persönlich antworten.«
Auf jeden Fall wollen alle meinen Sebastian Richter persönlich kennenlernen. Selbst siebzigjährige Damen bieten
ihm die Heirat an und fügen hinzu, dass es sein finanzieller Schaden nicht sein soll. Sie haben auch Villen/Jachten/Friseurläden und vieles andere zu vererben und wissen gar nicht wohin mit dem ganzen Firlefanz.
Ich habe alle Hände voll zu tun, die vielen Briefe zu beantworten und jeder einzelnen Leserin zu versichern, dass ich, also Sebastian Richter, der Vielbeschäftigte, wahnsinnig gern die Lebensgeschichte der besagten Briefschreiberin erfahren /lesen/bearbeiten/aufschreiben /veröffentlichen/verfilmen würde, aber zurzeit leider sehr beschäftigt bin mit der Erziehung meiner Kinder/dem Verfassen von Kolumnen /der Pflege meiner kranken Mutter (dies schreibe ich allen Damen über siebzig)/dem Ausführen meines Hundes (dies schreibe ich allen Damen, die ihr Haustier erwähnt haben) oder mit dem Verfassen eines Kinderbuchs. Letzteres gefällt mir als Ausrede immer besser, denn es hört sich erstens nach echt viel Arbeit an und klingt zweitens supersympathisch.
Da alle ein signiertes Foto verlangen, müssen dringend Autogrammkarten her. Natürlich ist es wieder Siegfried, der mir bei diesem Anliegen hilft. Erst ist er skeptisch, als ich ihm das Foto dieses umwerfend gut aussehenden Mannes unter die Nase halte.
»Aber das ist Verletzung von Persönlichkeitsrechten«, wendet Siegfried schüchtern ein.
»Wieso? Welche Persönlichkeit verletze ich denn?«
»Na, den hier!« Siegfried zeigt auf das Foto, das ich ihm zur Autogrammkartenherstellung überantwortet habe. Er kennt nämlich einen Grafiker, der ihm einen Freundschaftspreis macht. »Sebastian Richter!«
»Aber liebster Freund! Das ist ja gar nicht Sebastian Richter!«, sage ich lachend und tätschele ihm dabei beschwichtigend
den Arm. »Den Namen habe ich mir doch nur ausgedacht!«
»Das weiß ich doch! Aber irgendwann wird dieser Mann sich vielleicht erkennen!«, gibt Siegfried mit schwacher Stimme zu bedenken. »Und dann kann er gegen dich klagen.«
»Wirst du mich dann im Knast besuchen?«, frage ich schelmisch, aber Siegfried wird ganz rot, und ich werde schnell wieder ernst.
»Warum sollte er denn gegen mich klagen? Er ist durch mich zu Ruhm und Reichtum gekommen!«
»Na, das
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