Die Erfolgsmasche
Überall hat die ihre Spinnenarme drin! Ich schüttle heftig den Kopf.
»Nein«, sagt Siegfried. »Es ist ein völlig unbekannter Verlag.« Ich bedeute ihm, dass er sich nicht so kleinmachen soll, und Siegfried sagt: »Ein ausländischer Verlag.«
»Dann kann das ja nicht besonders lukrativ sein.«
»Wie man’s nimmt«, sagt Siegfried ausweichend. »Besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.«
Ich mache ihm ein Zeichen, als wollte ich ihm die Kehle durchschneiden: Klappe, Mann!
Siegfried schweigt.
Carmen räuspert sich. »Na gut, diese Frage werden Sie mir nicht beantworten.«
»Nein.«
»Herr Richter, ich würde Sie gerne mit einem wichtigen Produzenten bekannt machen«, kommt Carmen jetzt zur Sache. »Er ist Geschäftsführer der erfolgreichsten und bekanntesten Musical-Produktionsfirma Deutschlands namens ›Big Applause‹ in Hamburg, und er würde Ihnen gern ein Angebot machen. Vergessen Sie die provinzielle Geschichte, an der Sie gerade arbeiten.«
Siegfried schaut mich fragend an, und ich schüttle heftig den Kopf.
»Auf keinen Fall«, sagt Siegfried. »Meine Arbeit ist mir heilig.«
»Aber Herr Richter! Wissen Sie, von welcher Hausnummer ich rede?«
»Nein.«
»›Mamma Mia!‹ Sagt Ihnen das was?«
»Ähm … kam das nicht irgendwann im Kino?«
Ich reiße ungläubig die Augen auf. Das ist jetzt nicht das, wonach es klingt?
»Das ist das Erfolgsmusical weltweit, Herr Richter! Mit den weltberühmten Hits von ABBA!«
»ABBA?«, sagt Siegfried und wartet auf ein Zeichen von mir.
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
»Nein, nein. Ich mache nur Spaß.«
Na, das wüsste ich aber. Dass Siegfried Spaß macht.
»Mein … ähm … guter Bekannter und ich, wir haben uns am Wochenende ganz zufällig getroffen, und dann kam noch
viel zufälliger das Gespräch auf Sie.«
»Aha.«
»Na ja, Sie sind inzwischen in aller Munde, Herr Richter. Sie schreiben brillante Kolumnen! Mit dem Kinderbuch verschwenden Sie Ihre Zeit.«
»Aha.«
Carmen Schneider-Basedow räuspert sich und scheint hochgradig irritiert zu sein. »Hören Sie, warum schreiben Sie nicht gleich ein Kindermusical? Für die ganz große Bühne?!«
»Ach so … wirklich?« Siegfried schaut mich fragend an, und ich presse mir die Hand auf den Mund.
»›Big Applause‹ möchte ein Kindermusical von Ihnen. Die Antwort auf Mamma Mia sozusagen.«
»Also irgendwas mit Papa?«, fragt Siegfried.
Ich möchte ihm den Hörer wegreißen. Stattdessen gestikuliere ich verzweifelt.
»Papperlapapp!«, sagt Siegfried schnell.
»Ja! Sie sind ja genial!«, schreit Carmen Schneider-Basedow und lacht ganz schrill. »Der Titel ist bereits geboren! Mamma Mia! - Papperlapapp! Herr Richter, das ist gut!«
Mein Herz klopft inzwischen ganz laut. Wenn ich dieses Telefonat richtig interpretiere, bekomme ich, also Sebastian
Richter, gerade WIRKLICH den Auftrag für ein Kindermusical? Für die »Big Applause!« - die weltweit größte Musical-produktionsfirma?
Ich hüpfe möglichst geräuschlos auf und ab. Siegfried muss denken, ich bin komplett durchgedreht.
»Sie sollten den Chef der Firma jetzt ganz schnell kennenlernen«, sprudelt Carmen eifrig hervor. »Es handelt sich um den bekannten Produzenten Werner Gern.«
»Das ist ein schöner Name«, sagt Siegfried.
Werner Gern ! Das ist doch der Produzent der erfolgreichsten Kinderfilme und Musicals! Ich fasse es nicht! Der ist interessiert an mir? Ähm, ich meine, an Sebastian Richter?
Ich schlage mir die Hand vor den Mund.
»Wenn Sie wollen, arrangiere ich ein Treffen mit Ihnen und Werner Gern.«
»Gern«, sagt Siegfried dienstbeflissen.
Ich schüttle aufgeregt den Kopf.
»Nein. Doch nicht. Ich hab’s mir anders überlegt.«
Ich . Nicht Sebastian Richter alias Siegfried. Ich tippe mir entschieden auf die Brust und strecke die Hand nach dem Hörer aus.
»Ich selbst habe leider keine Zeit«, sagt Siegfried. »Für solche Dinge ist meine Agentin da. Die steht zufällig gerade neben mir.«
»Nun gut, für ein erstes Gespräch wird das vielleicht reichen«, sagt Carmen Schneider-Basedow enttäuscht.
Puh, das ging ja noch mal glatt! Ich könnte platzen vor Freude!
»Meine Managerin hat auch die viel besseren Ideen«, sagt Siegfried noch überflüssigerweise, bevor ich ihm kopfschüttelnd den Hörer entreiße.
»Hella Kopf. Guten Tag. Ich glaube nicht, dass Herr Richter
aus dem Kinderbuchvertrag mit Russland so einfach rauskommt«, sage ich streng. »Gerade die Russen verstehen da
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