Die Erfolgsmasche
möchte den Zylindermann küssen und mit ihm auf offener Straße Walzer tanzen.
Der junge Fahrer verspricht, mich hier morgen Vormittag wieder abzuholen und zum Flughafen zu fahren. Anschließend wünscht er mir höflich einen schönen Aufenthalt.
Die gnädige Frau schwebt in das Hotel, wo sie von einer jungen hübschen Rezeptionsdame in grauer Uniform mit Goldknöpfen freudestrahlend erwartet wird.
Wenn ich in Salzburg nach Hause komme, meine Einkaufstüten hereinschleppe und auf den Küchentresen wuchte, hebt noch nicht mal jemand den Kopf!
»Management Sebastian Richter«, sage ich mit einer Selbstsicherheit, die ich mir irgendwo geklaut haben muss.
»Guten Tag, Frau Kopf. Hatten Sie eine gute Anreise?«
Oh ja. Die hatte ich. Ungewohnt, aber gut. Ich lächle herzlich und unterschreibe das Anmeldeformular, das schon von »Big Applause« ausgefüllt worden ist.
Im spiegelverkleideten Aufzug schwebe ich nach oben. Er hat keinerlei Ähnlichkeit mit meinem altersschwachen Lift
zu Hause, in dem die Wand nicht mitfährt und in dem man sich folglich nicht anlehnen kann. Dieser hier umschmeichelt mich mit leiser klassischer Musik, während der zu Hause scheppert und quietscht. Außerdem ist der Wandspiegel in mildes Licht getaucht, während der Spiegel im Lift zu Hause von einer einzelnen grellen Funzel gemeingefährlich beleuchtet wird.
Auf flauschigen Teppichen schreite ich durch lange Gänge, und dann stehe ich wirklich in einer wunderschönen Suite mit Blick auf die Alster. Das Wasser kräuselt sich blaugrau im Sommerwind, und Schwäne gleiten anmutig darauf herum.
Ich kann mein Glück kaum fassen. Ungläubig drehe ich mich ein paar Mal um die eigene Achse. Auf dem Glastisch, der zwischen zwei schweren dunkelblauen Sesseln steht, entdecke ich eine riesige blaue Schale mit Früchten und Pralinen, daneben ein langstieliges Glas mit frischen Erdbeeren.
»Das Hotelmanagement freut sich, Sie in unserem Hause begrüßen zu dürfen, und heißt Sie herzlich willkommen«, steht auf einem handgeschriebenen Brief aus Büttenpapier. »Wir hoffen, dass Sie sich in unserem Hause wohlfühlen, und stehen Ihnen für Fragen und Wünsche jederzeit zur Verfügung.« Daneben liegt ein aufgeschlagenes Gästebuch mit dem Vermerk: »Bitte Autogrammkarte von Sebastian Richter.« Ich unterschreibe schnell eine und lege sie auf die gewünschte Seite.
Weil ich bis zu meinem verabredeten Treffen mit Werner Gern noch Zeit habe, schlüpfe ich in die Joggingschuhe und laufe erst mal eine Runde um die Alster. Hunde tollen übermütig herum, Spaziergänger und andere Jogger begegnen mir, und sie alle haben ein Lächeln im Gesicht. Die Luft ist herrlich, und ich bilde mir ein, das Meer zu riechen.
Meine Güte, wie hat sich mein Leben geändert, seit ich … ein Mann bin! Wie war mir im Winter noch bang und elend zumute! Wie sehr habe ich um meine nackte Existenz gefürchtet! Wie habe ich mich klein und hässlich gefühlt …
Und jetzt? Ich schwebe! Ich bin leicht! Es ist Sommer!
Am liebsten würde ich die Alsterrunde gleich noch einmal machen, aber dann trinke ich nachher womöglich Wein gegen den Durst und könnte dumme Dinge sagen, sodass Werner Gern Verdacht schöpft. Also zwinge ich mich quasi, mit dem Laufen aufzuhören. Mein Gott, ist das toll, unter Serotonin zu stehen!
Nach einer Dusche im Hotel schlüpfe ich in den bereitliegenden flauschigen Bademantel und schminke mich sorgfältig vor dem tollen Vergrößerungsspiegel im Bad. Diesmal gibt es keine Greta und keinen Klon. Nur mich. Es ist unbeschreiblich. Bin ich wichtig? Geht es etwa heute Abend um mich?
Nein. Jetzt reiß dich mal zusammen, Sonja Rheinfall. Es geht um Sebastian Richter.
Ich grinse frech in den Spiegel. Wie immer nach dem Laufen ist meine Haut gut durchblutet, meine Augen leuchten, und ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen.
Für das Treffen mit Werner Gern wähle ich das rote Etuikleid mit den schwarzen Tupfen, das ich mir im Kostümverleih ein zweites Mal ausgeliehen habe. Er kennt es ja noch nicht! Eine kurze Schrecksekunde lang denke ich, er könnte es auf Pressefotos mit Carmen Schneider-Basedow gesehen haben, aber ich vertraue auf den sprichwörtlichen männlichen blinden Fleck.
Nachdem ich ein paar Mal probiert habe, wie es im Sitzen aussieht, werde ich unsicher: Ist das nicht ein bisschen gewagt?
Greta würde sagen: »Mama, das geht gar nicht! Zieh das peinliche Teil aus!«
Alex würde durch die Zähne pfeifen und sagen: »Geiler
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