Die Erfolgsmasche
Leben «, sage ich, obwohl er das natürlich weiß.
»Nun ja, Sie wissen selbst, dass in dieser Branche Beziehungen alles sind«, klärt Werner Gern mich auf und hebt leicht sein Glas: »Auf Carmen, die Sebastian Richter entdeckt und uns zusammengebracht hat.«
»Auf Carmen«, stoße ich hervor. »Sebastian Richter ist allerdings meine Entdeckung. Nur dass wir uns da richtig verstehen.« Ich presse die Lippen zusammen und schaue so hochmütig, wie ich kann.
»Oh ja. Natürlich.« Täusche ich mich, oder verbeißt er sich gerade das Lachen?
» Sie haben Sebastian Richter entdeckt. Den neuen Star am Autorenhimmel. Wie geht es ihm denn so?«
»Er hat viel zu tun«, sage ich distanziert. »Er ist, wie Sie wissen, alleinerziehender Vater.«
Würde ich das von einer Frau berichten, fingen alle an zu gähnen. Ach so, ja echt? Erzählen Sie mir mehr aus dem Land der Langeweile. Aber ein Mann: Boah!!! Alleinerziehend und noch beruflich erfolgreich!
Die Welt ist so ungerecht !
Ich nehme erst mal einen Riesenschluck von meinem Champagner, um mich zu beruhigen.
»Er muss ein toller Bursche sein«, sagt Werner Gern lächelnd. »Carmen hat mir das Bild von ihm gezeigt.« Wieder fährt er sich fast ein wenig verlegen über das Grübchen am Kinn: »So ein gut aussehender Mann!«
»Auch gut aussehende Frauen sind manchmal alleinerziehend«, kann ich mir nicht verkneifen, trotzig zu murmeln.
»Wo haben Sie den eigentlich … ›entdeckt‹?« Werner Gern malt Anführungszeichen in die Luft.
»Äh … bitte?« Huch, mir wird plötzlich ganz heiß. Kann denn hier nicht mal einer das Fenster aufmachen?
»Nun ja, wie entdeckt man einen alleinerziehenden Vater, der Kolumnen schreibt?«
Ich unterdrücke ein leichtes Unwohlsein, räuspere mich und schlage erst mal die Beine übereinander. Gute Wahl, das rote Kleid. Sehr gute Wahl. Werner Gern ist für Sekundenbruchteile abgelenkt.
»Ich kenne den guten Sebastian auch noch aus alten Zeiten«, improvisiere ich, sobald ich die Fassung wiedergewonnen habe. »Da hat er noch für den Kölner Express die Kleinanzeigen betreut.«
»Laut Carmen hat dieser geniale Kerl bereits einen passenden Titel für das Kindermusical aus seinem kreativen Ärmel geschüttelt?!«
»Ähm … wie?« Ich fühle mich irgendwie auf den Arm genommen.
Kreativer Ärmel?
»Papperlapapp!«, hilft mir Werner Gern auf die Sprünge.
Das wollte ich gerade sagen. Ich werde so rot wie mein Kleid. »Das war nur so ins Blaue hineinfantasiert«, stoße ich hervor. »Das ist noch überhaupt nicht spruchreif. Nichts, was Frau Schneider-Basedow sofort ungefiltert weitergeben sollte.« Ich zupfe den Saum über den Knien zurecht. »Es ist ja
noch nicht mal sicher, dass Sebastian Richter dieses Musical überhaupt schreibt.«
»Oh, das wollen wir doch hoffen!« Werner Gern lächelt mich gewinnend an.
»Frau Schneider-Basedow sollte sich aber nicht weiter einmischen«, stelle ich klar. »Sie ruft auch so schon dauernd an. Also ihn. Sebastian Richter. Das stört.«
»Sie mögen Carmen offensichtlich nicht besonders?« Werner Gern wirkt amüsiert.
»Wie kommen Sie darauf?« Ich trinke hastig einen Schluck und stelle das Glas eine Spur zu heftig ab. »Ich kenne sie doch gar nicht!«, beeile ich mich hinzuzufügen. »Jedenfalls nicht persönlich. Nur vom Telefon.«
Wir sind uns nämlich nie begegnet, mein Lieber. Die peinliche Episode mit den identischen Outfits im Münchner Theater hat nie stattgefunden. Und erst recht nicht unser hochnotpeinliches Gespräch am Buffet.
»Carmen ist eine falsche Schlange, aber wie alle Schlangen besitzt sie einen untrüglichen Instinkt«, sagt Werner Gern, während er amüsiert seine Schuhspitzen betrachtet, die im Schein der Kronleuchter glänzen. »Sie hat ein gutes Gespür für das, was geht und was nicht geht.«
So. Und ich gehe also nicht. Das gibt mir einen Stich. »Aha«, sage ich und spüle meinen aufkeimenden Schmerz mit einem weiteren Schluck Champagner hinunter.
»Mit der Kolumne von Sebastian Richter hat sich die Auflage ihres Hausfrauenblattes verdoppelt. Die Leserinnen fahren total auf den Mann ab. Er ist ein Phänomen.«
»Ich weiß«, sage ich und bemühe mich um einen selbstbewussten Tonfall. »Sebastian Richter schreibt eben gut.«
Täusche ich mich, oder schaut mich Werner Gern eine Spur zu lange an?
»Und er sieht geradezu un-glaub-lich gut aus.«
Das letzte Wort sagt er eine Spur zu gedehnt. Ich schlucke.
»Wieso ist der Mann eigentlich alleinerziehend?«
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