Die Erfolgsmasche
ich mich auf unsere erste Begegnung
sehr sorgfältig vorbereite. Auf meine nächste Klavierstunde mit Elvira Berkenbusch freue ich mich richtig. Wetten, dass sie mir eine Menge über ihren Exmann erzählen wird?
Bis es so weit ist, nutze ich die Zeit zum Arbeiten. Jeden Tag sitze ich an meinem, also natürlich Sebastian Richters, Kindermusical. Immer wieder höre ich die Schlager von Tom Konrad und feile an meinen Texten. Passt ein Lied zu dieser oder jener Bühnenperson? Welche Verse lege ich welchem Protagonisten in den Mund? Wie läute ich das nächste Lied ein? Wo soll der Chor den Refrain singen? Meine Zungenspitze tanzt vor lauter schöpferischem Eifer mit meinen über die Tastatur huschenden Fingern um die Wette.
Manchmal ruft Werner Gern an und fragt, wie es vorangeht. Da Sebastian Richter nicht gestört werden will, erörtere ich als seine Managerin die neuesten Entwicklungen mit Herrn Gern. Der ist jedes Mal hocherfreut und lässt Sebastian Richter die besten Grüße und Wünsche für weitere kreative Ideen ausrichten.
Am Wochenende packe ich Greta und ihren Klon ins Auto und fahre zu Paulis Mama an den hintersten Zipfel des Mondsees. Pauli ist Gretas neuer Freund, und ich will ja nicht spießig sein und den beiden im Wege stehen. Also werde ich mir Paulis Mutter mal ansehen. Wir Mütter sollten an einem Strang ziehen, die Sache in Ruhe besprechen und gemeinsame Regeln aufstellen. Wir sollten Kontakt halten, unsere Kinder zwar ihre Erfahrungen machen lassen, aber immer eine helfende und führende Hand nach ihnen ausstrecken. Trotz meines Termindrucks und einer intensiven schöpferischen Phase steht Gretas Seelenheil für mich an oberster Stelle.
Mit Paulis Mutter habe ich Glück: Sie ist eine ganz Liebe
und wohnt mit ihrem Sohn in einem urgemütlichen kleinen Holzhaus auf einem Hügel. Es ist ein atemberaubend idyllisches Fleckchen. Eine Katze rekelt sich zufrieden schnurrend auf einer grünen Bank vor der Haustür. Ich bin ganz außer Atem, als wir uns den schmalen Weg hinaufgekämpft haben. Von hier aus blickt man auf den majestätischen Schafberg, der immer noch unter Schneeresten in der Sonne glänzt. Der Mondsee ist zurzeit ganz grün. Das liegt an den vielen jungen grünen Bäumen, die sich im See spiegeln. Alles hier wirkt vollkommen authentisch, echt und unverkrampft.
Paulis Mama heißt Maria und hat extra eine köstliche Erdbeersahnetorte gebacken. Sie bittet uns lächelnd auf die Terrasse. Auch ihr scheint es eine Herzensangelegenheit zu sein, dass wir Mütter uns kennenlernen und hoffentlich gut verstehen.
Ihr entzückender Pauli, den ich inzwischen richtig ins Herz geschlossen habe, fährt jeden Morgen um zehn nach sechs mit dem Bus bis nach Mondsee. Dort steigt er in einen anderen Bus, der ihn über die Autobahn nach Salzburg bringt. Dann latscht er vom Mirabellplatz zu unserem Mietshaus in der schmalen Straße unter dem Kapuzinerberg. Dort wartet er geduldig neben den Mülltonnen, bis meine Prinzessinnen frisch geschminkt erscheinen. Und ich die jungen Herrschaften zur Schule fahre.
Paulis Mama bedankt sich herzlich dafür, dass ihr Sohn nun eine Viertelstunde weniger zur Schule braucht, und ich freue mich einfach über die nette Einladung an diesen paradiesischen Ort. Ich habe das Gefühl, dass sich etwas von der Ruhe und Gelassenheit dieser Frau auf mich übertragen wird, während ich ihr ein bisschen frischen Wind aus der Stadt mitbringe.
Wir verstehen uns auf Anhieb - die Stadtmaus und die
Landmaus. Uns beiden ist wichtig, dass unsere Kinder ihre erste Liebe, die sie ihr Leben lang im Herzen tragen werden, ohne Verbote und Heimlichkeiten genießen können.
»Wenn ich mir vorstelle, was mein Vater mit mir gemacht hätte, wenn ich mit vierzehn mit einem Freund angekommen wäre«, sagt Maria lachend, die hier auf diesem Grundstück aufgewachsen ist. Sie macht eine Handbewegung, die nach einer Tracht Prügel aussieht. »Ich hätte es auch nie gewagt«, sinniere ich laut, während ich die köstliche Erdbeertorte in mich hineinstopfe.
»Das wäre überhaupt kein Thema gewesen!«
»Unsere Eltern hätten uns richtig zur Schnecke gemacht!«
»Das haben sie schon aus nichtigeren Anlässen …«
Wir ergötzen uns an unseren unerfreulichen Jugenderinnerungen, die alle von drakonischen Strafen und tiefkatholischen Schuldgefühlen handeln. Die Kinder, die derartige Schilderungen immer mit wohligem Gruseln genießen, haben sich längst in den ersten Stock verzogen. Dort hört man sie
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