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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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kaputt, während sie uns Saft einschenkt. »Zwei Kreuze! Fis und Cis!«
    »Sie ist gar keine Klavierlehrerin. Und deshalb …«
    »Und im Chor waren Sie auch ganz schlecht«, plaudert Charlotte Vital unbekümmert weiter und rettet mich vorerst aus meinen Erklärungsnöten. »Mein Sohn hat gesagt, Sie hatten noch nicht mal Noten dabei, und falsch eingesetzt haben Sie auch.«
    »Ich wollte … Es war die Gelegenheit …« Verschämt betrachte ich die üppigen Geranien, die die Gartenlaube schmücken. Das müssen die Urururenkel von den Geranien sein, unter denen ich damals hier saß! »Ich bin einfach mit den ganzen schwarzen Gestalten mitgelaufen, um Richard kennenzulernen. Ich musste Richard unbedingt finden, weil … weil …«

    »So, so«, sagt Charlotte keck und stemmt die Hände in die Hüften. »Richard, deine kleine Traumfrau kommt mir bekannt vor.«
    Mein Herz macht einen Sprung. Ich … seine Traumfrau? Ich komme nicht dazu, einen klaren Gedanken zu fassen, denn jetzt wendet sich Charlotte lachend an mich: »Richard, habe ich zu meinem Sohn gesagt, die Frau ist entweder in dich verknallt, oder sie hat einen Knall. Wie die Elvira.«
    »Sieht ganz so aus«, sagt er grimmig.
    Ich beiße mir auf die Fingernägel.
    »Und ich habe auch gesagt: Richard, hol das Frauenzimmer her, ich schau sie mir an und sage dir, was mit ihr los ist.« Sie mustert mich aus ihren hellwachen Augen: »Sie müssen nicht nervös sein! Ich fresse Sie schon nicht! Sagen Sie mal, woher kenne ich Sie?«
    »Vielleicht ….« Ich zucke die Achseln und unterdrücke einen Schluckauf. »Haben Sie vielleicht mal Zimmer vermietet, an Studenten von der Sommerakademie?«
    »Ja natürlich«, sagt Charlotte und mustert mich noch eingehender als zuvor. »Vor zwanzig Jahren. Da war Richard gerade aus dem Haus, und ich hatte sein Lausbubenzimmer frei. Aber wenn er auf Besuch kam, hat er sich einen Spaß daraus gemacht, sich mit nacktem Oberkörper auf die Regentonne zu stellen und zu rufen: ›Ich bin ein schöner Mann! Schaut’s mich nur alle an, ich bin ein schöner Mann!‹ Und meine Mieterinnen haben sich kaputtgelacht über den frechen Bengel!«
    Das muss ich wohl verpasst haben. Schade, denn wenn ich Richard damals schon kennengelernt hätte … Dann wäre vielleicht manches anders gekommen, und ich müsste ihm jetzt nicht …
    »Ich habe vor zwanzig Jahren auch bei Ihnen übernachtet«,
stammle ich und versuche, mein Herzklopfen zu übertönen.
    »Bei meiner Freundin Mechthild!«
    Sie zögert, schüttelt fragend den Kopf. »Mechthild?«
    »Offiziell hatte ich eine andere Gastmutter«, sprudelt es aus mir heraus. »Aber da habe ich mich nicht wohlgefühlt. Die Frau war so unfreundlich, und das Haus lag an einer hässlichen Durchgangsstraße. Da hat mich meine Freundin Mechthild einfach mit zu Ihnen genommen und gesagt: Die ist so fröhlich und großzügig … Ich habe also eine Nacht bei Ihnen auf der Matratze übernachtet und bin nie mehr zurückgegangen. Ich war sozusagen ein Kuckuckskind und habe mich bei Ihnen eingenistet!«
    In diesem Moment wird mir schlagartig klar, dass auch ich mich einmal in einem fremden Nest wohler gefühlt habe als in meinem eigenen.
    »Ach, Sie waren das, die mich nachts rausgeklingelt haben«, sagt Charlotte Vital lachend und nimmt mich plötzlich herzlich in den Arm. »Und wie ich mich an Sie erinnere! Sie haben immer nur gelacht und gesungen, als könnten Sie die ganze Welt umarmen!«
    »Ja, es war die schönste Zeit meines Lebens«, stammle ich. »Weder davor noch danach habe ich mich je wieder so geborgen und angenommen gefühlt.«
    »Ihr kennt euch?«, fragt Richard ungläubig und streicht sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht. Spätestens jetzt muss er sich wie das Opfer einer noch viel größeren Verschwörung vorkommen. Mit den Händen in den Hosentaschen lehnt er an der Gartenlaube und sieht mich so merkwürdig an. Fast … feindselig.
    Aber Charlotte umarmt mich lange. Sie hat sich eigentlich gar nicht verändert, ihr Lachen ist noch genauso spitzbübisch
wie früher. Sie hält mich auf Armeslänge von sich ab: »Dann wollen wir die liebe Sonja mal unter die Lupe nehmen! Ich bin achtundachtzig Jahre, und mir macht niemand etwas vor!« Richards Mutter öffnet eine Sektflasche und schüttet uns allen noch etwas von dem sprudelnden Elixier in unseren Saft. »Mit der Elvira hat mein Sohn so ein Pech gehabt.« Sie schaut mich prüfend, aber aufmunternd an und hebt ihr Glas: »Prost, Sonja! Wenn Sie

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