Die Erfolgsmasche
noch die Gleiche sind wie damals, hat mein Richard diesmal mehr Glück.«
Ich nehme verlegen einen Schluck und drehe mein Glas in den Händen. »Also?«, frage ich schließlich scheu. »Was ist Ihr Eindruck?«
Sie stellt mit Schwung ihr Glas auf den Tisch: »Meine alte Sonja hat sich nicht verändert.«
»Nein.« Da bin ich aber erleichtert.
»Aber Sie führen etwas im Schilde!« Sie hebt gespielt drohend die Hand und wedelt mit dem Zeigefinger vor meiner Nase herum. »Ich spüre das genau. Sie haben mit meinem Richard irgendetwas vor. Etwas Außergewöhnliches.«
Ist Richards Mutter etwa eine Hellseherin? Mir wird ganz unheimlich zumute.
»Das kann man wohl sagen. Vorhin musste ich jedenfalls ständig Autogramme geben«, sagt Richard schmallippig, der sich erst jetzt zu uns an den Tisch setzt. »Ich bin nämlich ein beliebter Kinderbuchautor. Oder was bin ich genau, Sonja?« Er mustert mich kalt.
Jetzt wird es wirklich höchste Zeit zu beichten. Hier in dieser Gartenlaube, in der ich damals über meinen Notenblättern saß, bei einer Gastmutter, die mir nie im Leben böse war, schaffe ich es endlich, mit der Sprache herauszurücken. Ich kann nur hoffen, dass Richard mir anschließend auch nicht böse sein wird.
»Ich habe das Bild Ihres Sohnes im Schaufenster eines Fotogeschäfts gesehen«, beginne ich, nachdem ich mir noch mal Mut angetrunken habe. Erst spreche ich zögernd, dann sprudelt es nur so aus mir heraus.
Die Augen von Richard und seiner Mutter werden immer größer, als ich erzähle, dass ich im Winter meine Kolumne verloren habe, weil die neue Chefredakteurin etwas Außergewöhnliches, etwas Besonderes wollte, »und keinen Hausfrauenkram«. Ich zeichne Gänsefüßchen in die Luft.
»Sie wollte ihre Leserinnen nicht mit ihresgleichen belästigen. Aber meine Existenz hing davon ab. Und die meiner Kinder. Eine Zeit lang ging es mir wirklich schlecht. Wir wohnen in einer Vierzimmerwohnung unterm Dach, und ich muss ganz allein für uns aufkommen. Ich hatte Existenzängste und wusste nicht, wie es weitergehen soll. Aber dann habe ich mir überlegt, meine Kolumnen als Mann zu schreiben.« Ich räuspere mich und rutsche verlegen auf meinem Stuhl herum. »Das ging so lange gut, bis die Chefredakteurin unbedingt ein Foto von diesem Mann wollte. Ich hatte überhaupt keine Zeit zum Nachdenken. Meine männlichen Bekannten und Verwandten eigneten sich nicht für die Figur, die ich da erschaffen hatte.«
Die Mutter schüttelt erstaunt den Kopf.
Ich breche verwirrt ab: »Aus irgendeinem Grund habe ich Sebastian Richter nämlich als gut aussehend beschrieben.«
Die Mutter lacht laut auf. Sie scheint von meiner Geschichte begeistert zu sein. »Erzählen Sie weiter! Das passt zu Ihnen, Sonja, das ist ganz typisch für Sie!«
Ich sehe Richard fragend an, aber seine Miene ist undurchdringlich.
»Nun ja. Aus irgendeinem Grund war mir Richards Bild schon seit Längerem aufgefallen. Es wurde auch nicht abgeholt,
sondern stand immer im Schaufenster und schaute mich an. Und da habe ich es einfach gekauft. Das ging ganz leicht.« Ich zucke mit den Schultern und sehe die beiden verständnisheischend an. Richard schaut weg, er wirkt verletzt, und so wende ich mich an seine Mutter: »Wirklich, ich wollte Ihrem Sohn nie zu nahe treten, es tut mir entsetzlich leid, dass Sie jetzt denken, ich wollte … Ich wäre möglicherweise in ihn …«
Was rede ich denn da? Warum sage ich das jetzt?
Ich breche ab. Mein Blick sucht den von Richard. Der starrt mich fassungslos an. Die nackte Enttäuschung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er hat es geglaubt. Er dachte, ich sei in ihn verliebt. Zu Recht!
Scheu wandern meine Augen wieder zurück zu seiner gütig lächelnden Mutter. Die nickt mir aufmunternd zu.
»Fahren Sie fort, meine liebe Sonja. Ich finde die Geschichte ziemlich spannend.«
Ich schlucke. »Aber dann wollte die Chefredakteurin ihn unbedingt kennenlernen! Ich hatte mir selbst eine Falle gestellt, und die drohte zuzuschnappen! Bitte versuchen Sie, mich zu verstehen. Ich musste das Spiel weiterspielen, um nicht schon wieder meine Kolumne zu verlieren. Wir leben schließlich davon, meine Kinder und ich!«
Ich verstumme, denn plötzlich wird mir klar, dass meine Stimme ziemlich schrill geworden ist. Ich atme einmal tief durch. Jetzt bloß nicht losheulen oder sonst wie aus der Rolle fallen. Noch stehen meine Karten gut. Die reizende Mutter ist nach wie vor auf meiner Seite.
»Und dann habe ich mich als seine
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