Die Erfolgsmasche
zwischen den Lippen hervor. »Gleich erkläre ich dir alles!«
Noch immer zeige ich warnend auf das Handy, das ich an mein Dekolleté presse wie Elvira ihr aus dem Nest gefallenes Eichhörnchen.
»Bitte, sag einfach nur Hallo! Bitte!« Ich hüpfe wie ein Kind, das dringend Pipi muss, vor ihm auf und ab. »Spiel mit!«, flehe ich mit überkieksender Flüsterstimme.
In dieser Sekunde kommen vier oder fünf neue Friedenstauben um die Ecke geflogen. Es hat sich endgültig herumgesprochen, dass Sebastian Richter hier ist. Sie rotten sich kichernd um Richard zusammen, der ganz benommen mit seinen Autogrammkarten auf der Bank sitzt, und zwitschern:
»Bitte eines für meine Mutter! Die fällt um vor Freude, die liest Ihre Kolumnen immer.«
»Bitte eines für mich! Petra ist mein Name!«
»Hannelore! Naa i glaubs net, i werd narrisch.«
Aufmunternd reiche ich Richard einen Stift. »Bitte, Sebastian. Unterschreibe doch. So viel Zeit muss sein!«
»Sebastian gibt gerade Autogramme«, sage ich mit kratziger Stimme in den Hörer. »Er ist mal wieder umringt von weiblichen Fans. Es ist kein Rankommen!«
»Ja, das höre ich«, lacht der Produzent. »Großartig, großartig, ich warte.«
Ich versuche vergeblich, die Tauben mit einer wedelnden Handbewegung zu verscheuchen, und sage beschwörend zu Richard:
»Sebastian, der Produzent deines Musicals möchte dich kurz begrüßen. Es geht um den Fototermin in Hamburg und um die Homestory mit deinen Kindern. Außerdem will er wissen, wie es deiner Tochter geht, die an den Mandeln
operiert wurde.« Alle diese Stichworte spreche ich so deutlich und laut aus, als hätte ich einen schwachsinnigen Laienschauspieler vor mir, der im falschen Stück gelandet ist.
Richard starrt mich perplex an.
Dabei hat er sich gerade noch so lobend über mich geäußert, von wegen, wie normal ich bin und dass ich ihn nicht für irgendwelche verrückten Hirngespinste einspannen will. Schon wieder eine durchgeknallte Frau! So ein Pech aber auch!
»Sebastian«, flöte ich. »Rede mit ihm! Sag einfach nur Hallo!«
Verdattert nimmt Richard das Handy und sagt: »Hallo?«
Er schaut auf die Autogrammkarte und liest ab: »Sebastian Richter?« Die Krankenschwestern warten nur zwei Meter weiter. Sie giggeln und stoßen sich zwischen die Rippen.
Ich beiße mir auf die Fingernägel und starre ihn erwartungsvoll an.
»Ja, ach so. Natürlich, klar. Aha. Es hat Ihnen gefallen. Da bin ich aber froh.« Er muss wider Willen lächeln und fährt fort: »Na ja, D-Dur ist vielleicht zu schwierig, das hat nämlich zwei Kreuze, aber ich kann es auch in C-Dur schreiben.«
Ich könnte ihn küssen! Ich glaube, ich tue es auch! Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und küsse ihn auf die Wange. Er hält meine Hand fest: »Ein paar Noten muss ich dann halt noch ändern, und der Schlussakkord vom ersten Akt hat zu viel Blech, die Streicher sind zu schwach besetzt, und das Horn-Solo ist vielleicht zu …«
Halt! Das geht in die völlig falsche Richtung! Ich schüttle entsetzt den Kopf und fuchtle mit den Armen.
Er hält das Handy von sich weg und fragt mich hastig: »Habe ich den Text oder die Musik geschrieben?«
»Den Text! Die Musik gibt es schon!«
»War ein Scherz«, sagt er cool. »Der Plot gefällt Ihnen also. Ja, die Arbeit hat mir wirklich Spaß gemacht. Wie es meiner Tochter geht?« Er sieht mich fragend an.
Ich nicke heftig und zeige auf meinen Hals. »Ja, sie ist noch etwas heiser, aber auf dem Weg der Besserung.«
Plötzlich merke ich, dass ich ebenfalls grinse. Ich strahle über das ganze Gesicht. Ich puste ihm noch eine Kusshand zu.
Richard lächelt auch. »Ja, danke. Das mache ich. Ich gebe Ihnen dann noch mal die Sonja.«
»Hella«, sage ich. »Sebastian sagt noch Sonja zu mir. Wir kennen uns noch aus uralten Zeiten. Habe ich Ihnen ja erzählt.«
Richard gibt bereits wieder Autogramme.
Werner Gern lacht. »Heute war der liebe Sebastian ja richtig kooperativ und gesprächig! Wissen Sie, manchmal habe ich wirklich gedacht, Sie führen mich an der Nase herum, Frau Kopf. Manchmal habe ich fast gedacht, diesen Sebastian Richter gibt es gar nicht, und Sie nehmen immer nur irgendeinen Kerl zu Hilfe, der zufällig gerade in der Nähe ist.« Herr Gern lacht sonor.
Ich lache hysterisch mit. »Aber Herr Gern! Was denken Sie denn von mir! Natürlich gibt es ihn! Er ist umzingelt von weiblichen Fans!«
»Ja, mich gibt’s«, ruft Richard plötzlich übermütig. »Ich bin ein schöner Mann! Ich habe ein
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