Die Erfuellung
nicht, weil es so vieles gab, über das sie nachdenken musste. Es schlug zwei Uhr, dann halb drei. Gegen drei Uhr schob sich ein dunkler Schatten zwischen sie und das schwache Glühen des Feuers, das sie durch die geschlossenen Lider noch wahrgenommen hatte. Ohne die Augen zu öffnen, wusste sie, dass Ralph Batley vor dem Kamin kniete und das Feuer schürte. Sie hörte das Knistern und Knacken des frischen Holzes in der Glut, und dann wusste sie, dass er neben der Couch stand und auf sie herabsah, obwohl sie keine Bewegung wahrgenommen hatte. Als sich nach einigen Sekunden immer noch nichts rührte, hätte sie fast die Augen aufgemacht, aber sie unterdrückte den Drang. Er dachte, sie schliefe, sonst hätte er nicht dort gestanden. Dann vernahm sie seinen Atem und erbebte innerlich bei dem Gedanken, wie nah er ihr sein musste. Wie gerne hätte sie die Augen weit aufgerissen und ihn überrascht. Noch nie war er ihr gegenüber im Nachteil gewesen. Dies war die Gelegenheit – aber sie rührte sich nicht. Und dann pochte ihr Herz so laut, dass ihr ganzer Körper davon widerhallte. Er flüsterte leise zwei Worte, die er sogar wiederholte. Es fiel ihr schwer, sich schlafend zu stellen, denn am liebsten hätte sie die Hände nach ihm ausgestreckt und ihn beruhigt, ihm versichert, dass sie nicht gehen würde. Nach ein paar Sekunden fühlte sie, dass sie wieder allein war. Sie vergrub ihr Gesicht in den Kissen und war nach kurzer Zeit eingeschlafen.
Shanes gequälte Stimme weckte sie. »Gott im Himmel, was habe ich getan! Sie sieht aus, als wäre sie tot.«
»Das hat nichts mit dir zu tun, reiß dich gefälligst zusammen«, fuhr Ralph Batley ihn an. »Wenn jemand sich schuldig fühlen muss, dann ich.«
»Ach, Junge, du hast doch nichts getan, außer Tag und Nacht zu arbeiten.«
»Genau das ist es ja, ich habe mich nur für meine Arbeit interessiert und gar nicht gemerkt, dass sie krank war. Doktor Morgan sagt, er rechnet schon seit zwei Jahren mit einem Zusammenbruch, und ich habe sie immer weiterschuften lassen.«
Die Stimmen näherten sich der Couch. Offenbar gingen die beiden zum Kamin.
»Aber Maggie hat immer gearbeitet, nicht nur letztes Jahr oder so«, gab Shane mit bebender Stimme zu bedenken.
»Das ist das Problem. Aber ich hätte ihr das Leben erleichtern, ihr die Waschmaschine und das Bohnergerät kaufen können, von denen wir letztes Jahr gesprochen haben.«
»Junge, die hätten doch nur in der Küche herumgestanden, das hat sie selbst gesagt. Sie hätte sie nicht benutzt.«
»Das war nur ein Vorwand, weil sie nicht wollte, dass ich dafür Geld ausgebe.«
Es folgte ein Augenblick des Schweigens. »Nun, vielleicht ist da was dran«, meinte Shane zögernd. »Sie wollte immer, dass du jeden Penny beiseite legst. Aber was soll jetzt geschehen? Wie werden wir ohne Maggie zurechtkommen?«
Erneut herrschte Stille.
»Außer Peggy Johnstone gibt es niemanden, der den weiten Weg machen könnte, und die bekommt jeden Moment ihr Baby«, flüsterte Shane schließlich. »Wenn nur das junge Mädchen hier …«
»Schscht!«
Linda spürte die Blicke der beiden auf sich. Es dauerte eine Weile, bis Shane weitersprach. »Sie schläft. Kannst du sie nicht fragen, ob sie noch eine Weile bleiben will?«
Wieder trat eine Pause ein, bevor die Antwort kam. »Das würde sie nicht tun, so wie ich sie gestern angefahren habe.«
»Aber warum denn?«
»Ich weiß auch nicht … Als ich sie mit diesem Cadwell sah, kam es mir vor, als würde sich die alte Geschichte wiederholen. Sie muss mich für verrückt gehalten haben, und für eine Weile war ich tatsächlich nicht bei Sinnen. Sie würde nie verstehen, welche Gefühle zwischen uns und den Cadwells herrschen.«
»Soll ich sie fragen?«
»Nein, ich habe den Schaden angerichtet und muss sehen, was ich tun kann. Am besten gehst du dich waschen, und ich kümmere mich ums Frühstück.«
Als die beiden in der Küche verschwunden waren, blieb Linda noch eine Weile liegen und genoss das Gefühl der Macht. Nie hätte sie gedacht, dass er sie einmal bitten würde zu bleiben. Aber würde er, der Herr des Hauses, es über sich bringen, sich offen bei ihr zu entschuldigen? Doch noch bevor sie sich aufgesetzt und sich den Schlaf aus den Augen gerieben hatte, wusste sie, dass sie ihn nicht auf die Probe stellen würde. Das Bewusstsein, gebraucht zu werden, genügte ihr.
Bevor sie nach oben ging, schlich sie zur Tür des Krankenzimmers. Mrs Batley schlief noch. Sie schien geradezu in ihrem
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