Die Erlösung der Frauen (German Edition)
deshalb erzwungen werden musste – dies fand er so unglaublich geschmacklos, das er am Liebsten im Boden versunken wäre.
Donalds Ärger legte sich erst, als sie nach dem Essen in das völlig überheizte winzige Hotelzimmer zurückkehrten und er seinen ganzen Frust sexuell entladen konnte. Er würgte sie, zog sie an den Haaren, packte ihren riesigen Unterkiefer mit der ganzen Hand und drückte ihn aufs Bett, so dass ihr die Spucke aus dem Mund lief. Obwohl diese Gewaltanwendungen deutlich härter waren als sonst, bemerkte sie nicht, dass nun zum ersten Mal ein gewisser Hass in ihnen verborgen lag. Vielleicht dachte Alexia, dass es an der veränderten Umgebung lag. Vielleicht dachte sie auch gar nichts. Sie schliefen eng umschlungen ein, doch nachts befreite sich Donald aus ihren Armen und blieb eine ganze Weile wach – nur um etwas allein zu sein.
// Am nächsten Tag reihten sie sich ein in jene Herden von Kulturtouristen, die wie Schafe durch die Gassen und Museen getrieben werden, um Kunstwerke zu bestaunen und zu fotografieren, obwohl sie diese schon kennen, eben weil sie ja schon Millionenfach fotografiert worden sind. Johann hatte vollkommen Recht: Die toten Künstler fordern immer noch ihren Tribut von der Welt. Die ganze Stadt hält die Hand auf. Hinter den abweisenden Fassaden der Renaissance-Paläste locken unzählige Gemälde, Fresken oder Plastiken, die gegen Eintritt besichtigt werden wollen und für alles gibt es ein kartoniertes biglietto, sogar für die Klos. Die Touristen öffnen widerstandslos ihre Brieftaschen, weil dies der einzige Moment ist, in dem sie noch Macht ausüben können. Dann hetzen sie durch die Museen, haken hektisch alles ab, was im Reiseführer steht, um möglichst schnell die nächste Station aufzusuchen, an der man wieder die Brieftasche öffnen und selbst einen Beitrag leisten darf. Sie haben gar keinen Bezug zu den Dingen, sie wollen nur da gewesen sein.
Auch Alexia war ganz versessen auf Kultur. Sie redete dauernd von Zentralperspektive und klassischer Antike, von Leonardo da Vinci oder Botticelli und verstummte dann, weil sie sich im Grunde überhaupt nicht auskannte. Sie tat ganz kultiviert und blieb andächtig vor irgendwelchen Gebäuden stehen, war sich dann aber nicht zu fein, schlüpfrige Bemerkungen über den Schwanz von Michelangelos David zu machen, was nicht nur ordinär war, sondern auch ziemlich einfallslos (den Schwanz gab es überall als Postkarte zu kaufen). Donald fand die Statue nicht sonderlich sexy. Im Reiseführer stand etwas von harmonischen Proportionen, aber er wirkte eher gedrungen. Der Penis war verhältnismäßig klein und baumelte recht unmotiviert herunter. Vermutlich waren es vielmehr seine großen Hände, die auf die Frauen einen solchen Eindruck machten (und die sie dann mit dem Schwanz verwechselten).
Die weiblichen Plastiken gefielen Donald sehr gut. Den antiken Kult um den menschlichen Körper konnte er ja durchaus nachvollziehen. Auch müssen die Alten ganz frei gewesen sein von angestrengten Schönheitsidealen: Die Göttinnen hatten breite Ärsche und wuchtige Füße, ihre Gesichter waren markant und dicklich. Donald war überrascht, wie sehr ihn der Anblick dieser marmornen Körper erregte. Noch mehr aber erregte ihn eine Gruppe amerikanischer Studentinnen, die vulgär kichernd durch die Gänge der Uffizien lief. Sie stolzierten selbstbewusst an den Plastiken vorbei, ohne ihnen den gleichen erkünstelten Respekt zu erweisen wie die anderen Besucher. Nicht anders wären sie wohl durch Disneyland spaziert. Es war außerdem völlig eindeutig, dass sie ohne männliche Begleitung reisten und dass sie alle Staffeln von Sex and the City auswendig kannten. Donald blickte ihnen mit lüsternen Augen hinterher und seufzte.
Alexia bemerkte nicht, dass ihr Freund anderweitige Interessen hatte. Sie war zu sehr damit beschäftigt, die Hochkultur auf sich wirken zu lassen. Dabei sah sie aus wie ein Hund, der vor dem Fernseher sitzt: Sie vermochte es nicht, hinter die schillernde Oberfläche zu blicken. Sie kannte weder die antiken Mythen noch war ihr die kunsthistorische Bedeutung klar. Von den Infos im Reiseführer verstand sie nur die Hälfte und sie konnte sich auch gar nicht darauf konzentrieren, weil sie vielmehr damit beschäftigt war, beim Betrachten der Kunstwerke ein möglichst intelligentes Gesicht zu machen, wobei die Bemühung als solche eben klarer zutage trat als ihr Ergebnis. Aber Alexia weigerte sich (sogar vor sich selbst)
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