Die Erlösung der Frauen (German Edition)
gewaltsam konstruiert und niemals einfach war, empfand er als Tragödie und weitreichendsten Konstruktionsfehler innerhalb der Schöpfung – schlimmer als Krankheiten und Tod. Daher rührte wohl auch seine neue Sentimentalität. Er hatte sogar Mitleid mit Alexia. Sie freute sich so sehr auf diese Reise und war fest davon überzeugt, ihn während dieser einen Woche ganz bei sich zu haben, ohne zu ahnen, dass es eine einzige Katastrophe werden würde.
Etwa eine Woche vor ihrer Abreise klingelte mitten in der Nacht das Telefon. Donald lag bereits im Bett, stand aber sofort auf in der Hoffnung, dass es sich um eine Verflossene handelte, die sich in ihrem Suff nach ihm sehnte. Leider war es nur Johann. Donald war trotzdem ein bisschen erleichtert, da er schon seit mehreren Wochen nichts mehr von ihm gehört und durchaus mit dem Schlimmsten gerechnet hatte.
Du bist ja noch wach!
Wo bist du?
In so einer Art Telefonzelle. Ich bin auf Spitzbergen.
Wo ist das?
Am Nordpol. Hier ist den ganzen Tag Nacht. Man sieht gar nichts. Nur Eis. Ich werde mir hier ein Haus kaufen. Wenn du willst, kannst du mich besuchen.
Ich kann nicht. Ich muss nach Florenz.
Was willst du denn da?
Frauensache.
Geh bloß in kein Museum, hast du gehört? Das Essen ist gut, vor allem die verschiedenen Kuhmägen, aber vergiss die Kunst. Das ist alles alte Scheiße, kultureller Ballast, der da jedes Jahr für Milliarden von Euro entstaubt wird. Wenn die dir mit Michelangelo kommen, dann verzieh dein Gesicht und spuck auf den Boden! Michelangelo will nur dein Geld. Das sind tote Menschen, die schon längst verwest sind und immer noch ihren Tribut fordern.
Ich werde dran denken.
Kurz darauf brach die Verbindung ab. Donald ging zurück ins Bett und am nächsten Tag wusste er nicht mehr, ob er dieses Telefonat wirklich erlebt oder nur geträumt hatte.
// Der Zug bummelte gemächlich durch die verschneiten Alpen. Im Großraumabteil stank es nach Schweiß und kleine Kinder plärrten. Alexia hörte Musik auf ihrem iPod und las einen historischen Frauenroman über Caterina de Medici. Donald langweilte sich und stellte sich sinnlose Fragen, wie zum Beispiel, warum es in diesem ganzen Zug kein einziges Fenster gab, das man öffnen konnte. Von Zeit zu Zeit ging er in den Waggons spazieren und sah sich nach interessanten Frauen um. Er setzte sich sogar für ein paar Minuten in ein Abteil, in dem eine junge Italienerin saß und in einem Modemagazin blätterte. Da er nicht wusste, wie er sie ansprechen sollte, versuchte er es mit Lächeln und Augenzwinkern. Leider fühlte sie sich dadurch eher belästigt, so dass Donald bald resigniert das Weite suchte und noch bevor die Reise überhaupt richtig begonnen hatte, schon den Schluss ziehen musste, dass er im Ausland einfach hilflos war. Alexia schien seine längeren Ausflüge gar nicht zu bemerken. Sie war ganz in ihr Buch versunken. Wenn der Zug durch einen Tunnel fuhr, begrabschte er zärtlich ihre Titten, worauf sie hysterisch kicherte, aber zu einem Quickie auf der vollgepissten Zugtoilette ließ sie sich nicht verführen. Stattdessen versuchte sie, ihn mit einem Reiseführer zu beschwichtigen.
Wenn dir langweilig ist, lies doch mal den Reiseführer durch. Dann kannst du mir alles erklären, wenn wir da sind.
Wie wenig sie von ihm wusste nach so vielen Wochen!
Das schadet dir auch nicht, wenn du dich mal kulturell ein bisschen weiterbildest.
Wie unzufrieden sie mit ihm war, obwohl er sie schon mindestens einhundert Mal beglückt hatte!
Als sie nach acht zermürbenden Stunden endlich am Ziel waren und Alexia ihn voller Vorfreude glücklich umarmte und küsste, da fiel es ihm schwer, noch Begeisterung zu heucheln. Alle anderen Frauen, die er am Bahnsteig sah, schienen ihm reizvoller als sie. Nun da sie so viele Stunden schweigend nebeneinander gesessen waren wie ein Ehepaar, fühlte er sich aufs Schändlichste an sie gekettet, er fühlte sich wie ein Köter, den man sinnlos herumkommandiert und an einer Leine hinter sich herzerrt. Zum ersten Mal auch schämte er sich nun für Alexias Hässlichkeit. Er schämte sich vor dem Taxifahrer, dem Portier im Hotel und dem Kellner in der Trattoria, obwohl er sich sonst nie für irgendetwas schämte und schon gar nicht bei fremden Leuten. Aber dass sie nun wie alle anderen Touristenpärchen in einer italienischen Stadt herum liefen und auf ein gemeinsames romantisches Erlebnis hofften, nur weil sie in Italien waren, ein Erlebnis, das niemals eintreten würde und
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