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Die Ernaehrungsfalle

Titel: Die Ernaehrungsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Ulrich Grimm
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wird irregeleitet. Das aufgeklärte Individuum, das doch so viel Wert auf Freiheit und bewusstes Handeln legt, lässt sich an einem überaus zentralen Punkt des Daseins überlisten und bevormunden: bei der Nahrungsaufnahme.
    Die Geschmacksvorspiegelung durch Aromen ist nach offizieller EU-Meinung keine Verbrauchertäuschung, weil auf dem → Etikett das »Aroma« deklariert sei. So sei der Verbraucher über den Täuschungsvorgang informiert und werde mithin nicht betrogen. Merkwürdigerweise ist Geldfälschung auch dann verboten, wenn man einen hausgemachten Hunderter mit dem (winzig) klein gedruckten Hinweis in
Umlauf bringt: Fälschung. Dass die wohlklingenden Namen auf den bunten Packungen nichts mit dem Inhalt zu tun haben müssen, hat sogar der Europäische Gerichtshof ausdrücklich erlaubt. Es ging um Sauce Béarnaise und Sauce Hollandaise, jene Klassiker, die, mit Butter und Eigelb sachte im Wasserbad angerührt, Rinderfilets, Fisch oder Spargel begleiten. Ein Päckchensaucenfabrikant hatte statt der guten Butter schlichtes Pflanzenfett genommen und statt teurer → Eier den → Farbstoff E 160f. Deutsche Behörden waren dagegen. Sie hatten den traditionalistischen Standpunkt eingenommen, dass das, was Sauce Béarnaise oder Hollandaise heißt, auch das sein sollte, was Generationen von Köchen und Restaurantbesuchern darunter verstehen. Die pingeligen Deutschen mussten sich vom obersten europäischen Gericht jedoch eines Besseren belehren lassen. Im mittlerweile klassischen und viel zitierten Urteil vom 26. Oktober 1995 entschied die Fünfte Kammer des Gerichts in Luxemburg, dass die Pflanzenfett-Farbstoff-Mixtur ruhig unter den klangvollen klassischen Saucenbezeichnungen verkauft werden darf, auch wenn etwas völlig anderes drin ist, als die Kunden erwarten. Die könnten ja schließlich das Kleingedruckte lesen, meint das Gericht: »Zwar werden die Verbraucher möglicherweise in Einzelfällen irregeführt, jedoch ist diese Gefahr gering.« Es sei, so das Urteil, »nämlich davon auszugehen, dass Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung der Erzeugnisse richten, zunächst das Zutatenverzeichnis lesen«.

Verpackung
    Die Verpackung spielt in der industriellen Welt der Nahrung eine zentrale Rolle. Zum einen als Marketinginstrument, denn die Attraktivität der Verpackung entscheidet über den Kauf. Das → Etikett sollte über den Inhalt der Packung aufklären, was indessen nur unvollständig gelingt. Zudem dient die Packung als Schutz der Ware, sie kann die Lebensdauer im → Supermarkt verlängern (→ Shelf Life ). Sie kann aber
auch Quell von Kontaminationen sein, etwa mit den sogenannten Weichmachern in Kunststoffen (→ Plastikhormone ). Verpackung hat auch einen Klima-Aspekt: Denn die verschiedenen Bestandteile - Paper oder Plastik, Druckfarben - müssen transportiert und schließlich entsorgt werden.

Verzehrsmengen
    → Zusatzstoffe müssen gesundheitlich unbedenklich sein, wenn sie auf den Markt gebracht werden. Das gilt jedoch nur bis zu einer bestimmten Menge. Um die Bürger vor Gesundheitsgefahren schützen zu können, müssten die Behörden also wissen, wie viel die Menschen davon zu sich nehmen. So sieht das auch die Europäische Union. Sie hat daher zahlreiche Zusatzstoffe nur unter der Maßgabe zugelassen, dass der Verbrauch überwacht wird. Die Bundesrepublik Deutschland indessen sträubt sich seit Jahren hartnäckig dagegen, diese Daten zu erheben. So tappen die Aufsichtsbehörden bezüglich der Belastung durch chemische Zusätze im Dunkeln. Auch die Nationale Verzehrsstudie II (→ Verzehrsstudien ) hat dazu keine Daten erhoben.
    Die EU hat auf Betreiben der Industrie viele Stoffe neu zugelassen, dabei aber darauf gedrängt, dass der Verbrauch genauestens überwacht wird. So schrieb eine EU-Zusatzstoff-Richtlinie aus dem Jahre 1995 vor, dass die Regierungen »innerhalb von drei Jahren«, also bis 1998, »Systeme zur Überwachung des Verbrauchs und der Verwendung von Lebensmittel-Zusatzstoffen« festlegen sollten. Ziele seien »die Beobachtung des Verbrauchs an Zusatzstoffen« sowie die »Sicherstellung«, dass die »duldbare tägliche Aufnahme« nicht überschritten wird, so ein Bericht der EU-Kommission aus dem Jahre 2001. Manche Länder machten sich an die Arbeit und fanden heraus, dass vor allem Kinder bei vielen Chemikalien, namentlich → Farbstoffen , aber auch → Konservierungsmitteln , bedenklich große Mengen zu sich nehmen - bis zum Zwölffachen des

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