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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Hempel
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Einmachgläser verpackt und aus Japan in dieses Land geschifft werden.
    »Wie bis du gestorben?«, fragte die Frau am Flügel.
    »Ich?«, sagte ich. »Ach, nein. Nun, ich meine, ich habe mich scheiden lassen. Von wegen
sterben

    Ich kann so schwach sein.
    »Ich war verlobt«, sagte die Frau am Flügel teilnahmslos, und sagte dann nichts mehr.
    Was hätte man dazu sagen sollen? Manchmal stelle ich mich dumm, wenn es so viel besser wäre – dumm zu
sein
?
    Es gab ein Dröhnen von Akkorden, als der schwarz-weiße Kater auf die schwarzen und weißen Tasten hinauf sprang, die er als Startplattform benutzte, um auf den Kaffeetisch zu gelangen, wo er in das Tablett mit Erfrischungen schlittern würde.
    Mrs. Lawton sah aus der Küche herein. »Lees Freundin«, sagte sie zu mir, »könntest du Steinway von den Beignets fernhalten?«
    Die Frauen nahmen ihre Plätze auf Mrs. Lawtons maßgefertigter weißer Couch und den Stühlen ein, als Mrs. Lawton ein Tablett mit Mimosas hereintrug. Als die Getränke verteilt worden waren, war es Lee, die zuerst sprach.
    »Viele Männer namens Pablo sind diese Woche in mein Leben getreten.«
    Es war immer Lee, die sagte: »Politik?
Oooch!
Können wir nicht über Männer reden?«
    Oder Lee, die sagte: »Religion?
Oooch!
Wo sind die Kerle?«
    Das war während der Woche der Religion, als Pfarrer mit dem Auftrag, Seelen einzufangen, an die Schulen kamen und das Gehirn eines Alkoholikers und die Lungen eines Rauchers in Einmachgläsern herumgehen ließen, Fotografien von Autowracks nach Abschlussbällen zeigten, Diatriben gegen »Dschungelmusik« sprachen und einen Film vorführten, der mit einer XXX-Altersbeschränkung beworben wurde, bei dem es sich aber tatsächlich um
The Birth of Triplets
handelte und der zu widerlich war, um dazu im Dunkeln auch nur zu knutschen.
    Es war etwa zu dieser Zeit, damals in Colorado, dass ich Lee, bis ich sie vor Kurzem wiedersah, zum letzten Mal gesehen hatte, als sie nach Mitternacht einen Friedhof betrat, um dort auf dem Grab von Alfred Packer, dem berühmten Kannibalen des Staates, Zeit zu verbringen. Als ich also Lees Nachricht bekam, fünfzehn Jahre nachdem sie die Schule geschmissen hatte, rief ich sofort zurück. Ich dachte: Das können nur gute oder schlechte Neuigkeiten sein. Die Neuigkeiten, wie Lee sie dem Club weiter berichtete, waren Tangostunden, und das, was diese abgeworfen hatten: einen Verlobten, der als Pablo bekannt war. Pablo der Mitstundennehmer, nicht zu verwechseln mit Pablo und Pablo, den Lehrern.
    »Er ist sehr ‚unangemessen‘, wie wir in der Psychiatrie sagen«, sagte Lee.
    »Aber er ist nett zu dir?« – die Worte, die eine andere Frau Lee in den Mund legte.
    »Er ist zu allen nett, die in seiner Nähe sind«, sagte Lee. »Ich falle nur zufällig ziemlich oft in diese Kategorie.
    Wir sprechen nicht dieselbe Sprache«, fuhr Lee fort, »also
nehmen wir an
, dass wir uns mögen. Spart viele von den ‚Was hast du damit gemeint?‘«
    Als Lee dort in Mrs. Lawtons Wohnzimmer fortfuhr zu erzählen, erinnerte ich mich an Lees ersten Mann, den, für den sie die Schule verlassen hatte, um mit ihm durchzubrennen. Lee, das Mädchen, das immer ziemlich das war, was ich nicht bin, heiratete einen Mann, der keine Hunde mochte.
    »Seht ihr«, sagte Lee gerade, »was passieren kann, wenn man seinen Körper nimmt und ihn zur Tür hinaus stößt?«
    Ich sah, wie die Frau am Flügel sich umdrehte, um Lee ein düsteres Lächeln zu zeigen.
    »Ach Jean«, sagte Lee zu der Frau auf dem Klavierschemel, »komm und nimm eine Stunde Unterricht. Komm und lerne all die Pablos und Raouls kennen.«
    Und dann erzählte Jean eine Geschichte über den Mann, den sie geheiratet hätte, über ein gemeinsames Abendessen, eine Geschichte, deren Sinn mir zu sein schien, dass die Dinge schlimmer werden, bevor sie richtig schrecklich werden.
    »Ich hatte gerade meine Bestellung aufgegeben«, erzählte Jean dem Club, »da machte Larry ‚Iiih‘. ‚
Das
ging schnell‘, sagte ich, und Larry sagte: ‚Was? Was ging schnell?‘ Ich sagte: ‚Nun ja, noch vor einer Woche hättest du gesagt: Was für eine vorzügliche Wahl‘«, sagte Jean.
    »Als Nächstes«, sagte Jean, »erzähle ich Larry, was mir wirklich auf dem Herzen liegt, dass es mit uns nach dem Prinzip aus den Augen, aus dem Sinn läuft, und er sagt zu mir: ‚
Bitte
sprich doch nicht in Klischees – das passt so was von gar nicht zu dir, du würdest es nicht glauben‘«, sagte Jean.
    »Und ich dachte: er

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