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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Hempel
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ab, vor Verzückung zu kreischen. Mrs. Lawton fragte, wie wir uns getroffen hatten. Ich erzählte eine unaufregende Geschichte.
    »Und er hat dich angerufen?«, fragte Jean.
    »Er hat mich am gleichen Abend angerufen«, sagte ich.
    »Erzähl’ mir alles«, sagte Jean und rückte näher. »Fang’ bei Ringelingeling an.«

DENEN UNTER IHNEN, DIE IHRE ANSCHLUSSFLÜGE IN O’HARE VERPASST HABEN
    Denen unter Ihnen, die Ihre Anschlussflüge in O’Hare verpasst haben, biete ich meine aufrichtigste Entschuldigung an.
    Dass das, was getan wurde, getan würde, konnte ich unmöglich wissen, denn beim letzten Mal, als dies geschah, wurde es ohne den ganzen Aufstand abgehandelt. Beim letzten Mal betraf es niemanden sonst – ich verließ einfach das Flugzeug, bevor die Stewardess die Tür schloss, und es war mein Gepäck und nicht ich, das mein Ziel erreichte.
    Wusste ich, als ich Flug 841 verließ, dass mein Koffer aus dem Flugzeug gezogen werden musste, ein schwarzer Stoffkoffer, den der Gepäckarbeiter unter den Hunderten von anderen Taschen finden musste, während sie, die Passagiere, alle warteten?
    Und wie ist es mit dem Piloten, der die Toiletten nach einer Bombe absuchte, während eine Stewardess es ihm mit dem Gepäckfach über dem, was, für vielleicht zwei Minuten, mein Sitzplatz war – 6C – gleichtat.
    Ich liege damit schon richtig – früher war das nicht so. Die Angestellten am Boden, die, die einen einchecken, sahen einen aus dem Flugzeug kommen und wussten, was das bedeutete, und wussten, dass man keine Schuld trug, und die Blicke, die sie einem zuwarfen, sagten: Mehr Glück beim nächsten Mal, und: Wir hoffen, sie versuchen es noch einmal.
    Jetzt sind sie wütend. Die Blicke und Vorwürfe – Hunderte von Passagieren zu spät kommen zu lassen!
    Da erzählte ich ihnen, dass mein Ehemann bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen sei, dem auf Teneriffa.
    Es gibt einen Präzedenzfall für eine Lüge dieser Art, oder besser: eine Lüge zu diesem Zeitpunkt. In einer Talkshow erzählte ein Komiker einmal die Geschichte wie er an Bord eines Flugzeugs ging, um als Hauptattraktion einer Show in Vegas aufzutreten, jedoch das Flugzeug, das er bestiegen hatte, ein Flugzeug mit dem Ziel Pittsburgh war. Als unser Komiker das herausfindet, hat das Flugzeug schon angefangen, langsam in Position zu rollen.
    Dieser Mann, dieser Komiker, schaffte es, die Crew zu überzeugen, mit dem Flugzeug zum Gate zurückzukehren. Und wie umging er den kollektiven Zorn der Passagiere? Als das Flugzeug zum Halten kam und die Fahrgastbrücke zur Tür ausgefahren wurde, stand der Komiker auf und gab seiner Stimme einen bestimmten Tonfall: »Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht«, sagte er, »aber so eine Behandlung lasse ich mir von einer Fluggesellschaft nicht gefallen!«
    Dann verließ der Komiker mit beleidigtem Blick das Flugzeug.
    Aber ich möchte, dass Sie, die Passagiere von Flug 841, die Wahrheit kennen.
    Angefangen bei 6B, meinem beinahe-weißfingerknöcheligen Nachbarn, der Sie Ihren Sitzgurt festschnallten, als ob das irgendeinen gottverdammten Unterschied machen würde. Ich meine, mein Herr, darf ich Ihnen mal eine Frage stellen? Heißt es in den Zeitungen jemals: »Bei den Überlebenden – die Auflistung folgt – handelt es sich jedoch um diejenigen, die ihre Sitzgurte festgeschnallt hatten«?
    Ich möchte Sie, die Passagiere, denen ich Unannehmlichkeiten bereitet habe, ins Vertrauen ziehen. Denn wenn Sie wie ich sind, wissen Sie, dass manche von uns nicht die Welt sind, manche von uns nicht die Kinder sind, manche von uns nicht helfen werden, den Tag zu erheitern. Manche von uns sind stille Leidende an einer lärmenden Krankheit. Und das ist alles, was ich über Angst zu sagen habe.
    Aber! Macht man sich rar an den Flughäfen der Nation, und entscheidet man sich für die geerdete, tröstliche Behaglichkeit eines Zugs, findet man sich wieder auf der Reise durch die Stadt der Kirchtürme und die Städte des Stahls, die üppigsten Weidegründe des Landes und den Santa Fe Trail, über den Purgatoire River nahe der Gebirgskette Sangre de Christo – nur weiter Himmel und schmales Geplauder und sich was vorreimen aus einem Register von Aussichten: bei Dämmerung ein fahler Hirsch am Rand der Lichtung auf der Pirsch.
    Vorbei an niedrigen rosa Tamarisken und der Ponderosa-kiefer, und am Shoemaker Canyon, flankiert mit Pappeln, die wilden Truthähnen entlang des schmalen Mora River als Zuhause dienen.
    Vorbei an der Forked

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