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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Hempel
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weiß Bescheid über mich«, erinnerte sich Jean. »Er weiß, dass Klischees nicht zu mir passen.«
    Jean sagte, dass sie glaube, noch mal von Larry zu hören, aber dass die Hoffnung auf seinen Anruf wie Beten sei, nachdem man die Bowlingkugel losgelassen hat.
    Mehrere von uns griffen nach ihren Getränken.
    »Und der Kerl atmet noch?«, sagte Lee in den Raum hinein.
    Eine andere Frau sagte zu Jean: »Ich erinnere dich daran, dass du mich gebeten hast, dich daran zu erinnern, dass, wenn die Dinge unschön werden, ich dich daran erinnern sollte, dass du Larry zuerst ein kleines bisschen langweilig fandest.«
    Jean sah ehrlich erfreut aus. Sie sagte: »Larry ist die Art von Kerl, der sagt: Habe ich dir je erzählt, wie ich von einem Rudel Schlittenhunde in Alaska angefallen wurde? Nein? Ich war damals in Fairbanks, fängt er an«, sagte Jean, »und zwei Jahre später findet man raus, dass es nur
ein
Schlittenhund war, und der war ein Welpe.
    Und seine Familie, mein
Gott
«, sagte Jean. »Diese Leute sind so langweilig, das kann nur genetisch bedingt sein.«
    Ich hörte zu, als Jean erklärte, dass Wissenschaftler schon das Gen für Schüchternheit isoliert hatten, warum nicht also auch ein Gen fürs Langweiligsein?
    »Die zutiefst Langweiligen verraten sich zuerst durch den Austausch von Fakten«, sagte Jean. »Ein Familientreffen. Das letzte ist fünf Jahre her. Verwandte kommen rein. ‚Hey, wie geht’s euch? Wie seid ihr hergekommen?‘ ‚Wir haben die 101 nach Süden genommen …‘«
    »Ich weiß einfach, dass er dich anrufen wird«, sagte eine Frau, die zuvor noch nicht gesprochen hatte.
    »Wir werden sehen«, sagte Jean.
    »Wir haben’s gesehen«, sagte Mrs. Lawton.
    Die Party war eine Woche lang geplant worden, bevor Jean ins Krankenhaus gehen sollte. Mrs. Lawton sagte dem Stripper ab, nachdem sie sich die Sache in der Nacht noch einmal durch den Kopf gehen lassen hatte. Mrs. Lawton rief die Mitglieder des Clubs an und bat jede Frau, ein Stück Reizwäsche mitzubringen. Sie gab Jeans Maße per Telefon durch.
    »Erinnerst du dich an das letzte Mal, als sie hineinkam?«, sagte Mrs. Lawton zu Lee. »Sie hat diesen alten Morgenmantel mit Steppmuster getragen, der wie eine Slipeinlage aussah?«
    Mrs. Lawton beauftragte Lee, etwas aus Satin zu kaufen – Cancan-Höschen vielleicht, oder das, was sie einen »Pop-up BH« nannte.
    Wir erfuhren, dass sie Patsy Kendrick zur Fotografin bestimmt hatte (sie durfte im Angesicht der Weißweinschorle nicht den Fokus verlieren) und ihr aufgetragen hatte, ein Töpfchen Vaseline mitzubringen, um sie, im Hochglanz-Erotik-Stil, auf die Linse zu schmieren.
    Mrs. Lawton hatte damit gerechnet, dass der Club Jean abfüllen müsse, damit sie zustimmte, die Bilder zu machen. Aber nach nur einer Schorle rekelte sich Jean in einem champangerfarbenen Body und hochhackigen, marabufederbesetzten Satinpantoffeln auf Mrs. Lawtons Sofa. Sie ließ sich einen Perlenstrang in den Mund gleiten, tat so, als würde sie darauf beißen und machte für Patsy Kendrick einen Schmollmund.
    »Das ist für den Chirurgen«, sagte Jean, ließ einen Träger fallen und entblößte die Brust, die sie verlieren würde.
    »Mir wurde mal so ein Body geschenkt«, sagte Lee. »Ein Mann, mit dem ich nur einmal ausgegangen war, schenkte mir ein halbes Dutzend Bodys. Manche waren mit Alençonspitze besetzt, manche waren mit Zuchtperlen bestickt. Ich weiß, dass ich sie empört hätte zurückgeben sollen«, sagte Lee, »aber ihr hättet sie mal sehen sollen. Also habe ich sie empört
behalten

    »Nicht aus diesem Winkel abdrücken!«, rief Jean. Ich sah, wie sie Patsy Kendrick Zeichen gab, von oben und nicht von unten zu zielen. Jean zog den Bauch ein. »Drei Monate im Fitnessstudio und ich hätte das Gewicht, das ich auf dem Führerschein erlogen habe.«
    Keine der Frauen schien zu Hause erwartet zu werden. Die Mittagsrunde näherte sich ihrer fünften Stunde, als unsere angesäuselte Gastgeberin uns die Geschichte der Liebe ihres Lebens erzählte, bei der es sich, wie sich herausstellte, nicht um Mr. Lawton handelte.
    Es schien eine Geschichte zu sein, die sie schon einmal erzählt hatte, denn sie hatte sogar einen Titel: »Der Tag, an dem ich alles hatte«.
    Mrs. Lawton begann: »Der Mann erzählte mir eine Geschichte über den Tag, an dem er alles hatte. Er war acht Jahre alt, sagte er, und verbrachte in einem Krankenhausbett das, was seine Eltern für den letzten Tag seines Lebens hielten. Und seine Eltern

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