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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Freude. Sie hatten das Licht gesehen. Und das Licht offenbarte ihren unheiligen Hunger.
     
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    DeWalt stolperte und fand dann seine Balance wieder. Seine Beine waren durchnässte Baumstümpfe, schwere Granitpfeiler, tonnenschwer. Gedankenverloren griff er aus reiner Gewohnheit nach seiner Pfeife in die Brusttasche seines Hemdes. Er steckte sie gerade zwischen seine Zähne, als ihn die Vorstellung von Tabakspflanzen unter der strahlenden Sonne durchflutete: Reihe um Reihe von fetten, saftigen Blättern, volle Felder von reicher Dekadenz und scharfer, tauiger Blüten, grüne Armeen von Nikotinarsenalen. Er warf seine Pfeife in das Unterholz.
    DeWalt blickte sich um auf die langen Schatten der Zweige und der drohenden Baumwipfeln. Auch im Lichte des Vollmondes wirkte der nächtliche Wald geheimnisvoll und bedrohlich.
    Kein Wunder, oh Gesinnungsbruder. Auf welcher Seite bist du überhaupt?
    Sie sind zu fremdenfeindlich, Herr Vorsitzender. Vielleicht ist das ja der Grund, warum sonst niemand am Königlichen Orden der Blutenden Herzen mitmachen darf.
    Zwei Hände, zwei Bälle. Eine ausgewogene Sache.
    Und was ist, wenn ich zum anderen Klub wechsle?
    Welcher Klub könnte das denn sein, oh Bruder?
    Der böse Zwilling von Greenpeace. Der Königliche Orden des Shu-shaaa. Der Erdmund. Der unselige Gottessamen.
    Das traust du dich nicht. Du wärst ja jetzt nicht hier, wenn du nicht noch mehr Angst hättest, deine wirkliche Farbe zu zeigen. Gelb.
    Einspruch, Herr Vorsitzender.
    Warum denkst du, dass du dazu geboren wurdest, einen Haufen Geld zu machen? Warum du dich vor Vietnam gedrückt hast, aber dich um keinen Deut für die Friedensbewegung stark gemacht hast? Warum deine Ehe nicht funktioniert hat, weil du nie genug von dir selbst hergeben konntest? Warum du immer alles, aber nie genug hattest? Warum du immer von Neuem beginnen musstest?
    Das ist nicht fair. Das sind Schläge unter die Gürtellinie.
    Es ist deine ANGST, Bruder. Oh, nicht Angst vor dem Tod. Angst, lächerlich gemacht zu werden. Angst, überlistet zu werden. Angst davor, gelebt zu haben. Angst, dass jemand merkt, dass dir alles egal ist.
    Ach, lassen Sie mich in Ruhe.
    Die Konferenz des Königlichen Ordens der Blutenden Herzen ist jetzt vertagt.
    DeWalt schaute auf die schattigen Umrisse von Chester und Emerland zehn Meter vor ihm. Er hoffte, dass Chester den Weg kannte, denn DeWalt hatte schon längst die Orientierung verloren. Orientierungssinn konnte eben nicht einfach wie aus einem Versandhauskatalog bestellt werden. Und andere Dinge konnte man sich auch nicht so einfach erkaufen.
    Seine Schulter schmerzte von dem Sack Pilzvernichtungsmittel, das er trug. Das Pulver des stechend riechenden Gifts drang ihm in die Nase. Er hatte das Gewehr wieder Chester gegeben und war froh, es nicht mehr tragen zu müssen. Aber das Dynamit beulte seine Taschen aus, schwer wegen der damit verbundenen Verantwortung. Der Zündschalter und die Zündkapseln waren in seiner Jackentasche.
    Er hoffte, dass er die Zündkapsel richtig anschließen konnte. Chester würde ihn das nie vergessen lassen, wenn er hier einen Fehler machte. Wenn er sich richtig erinnern konnte, sendete der Zündschalter eine elektrische Spannung an die Kapsel und diese Hitze setzte eine Kettenreaktion in Gange, die den Rest des TNT zur Explosion brachte.
    Aber wie willst du dich daran erinnern, oh Ordensbruder? Kannst du deiner Erinnerung nach deiner langen Beschäftigung mit freier Liebe, Sex und jedem anderen mythischen Scheiß auf der Welt noch vertrauen? Vertraust du den Weisheiten der Möchtegern-Radikalen, mit denen du das Bett geteilt hast?
    Das waren anständige Leute, Herr Vorsitzender.
    Weil sie Kapitel und Passagen aus dem Kochbuch der Anarchisten zitiert haben?
    Naja, die Zeiten haben sich geändert.
    Ja. Und du hast dich nicht geändert. Sollte man nicht mit der Zeit gehen?
    Es lebe die Revolution, Kamerad. Damals waren das andere Zeiten, aber jetzt ist auch alles anders.
    Du tickst nicht mehr richtig, Bruder.
    Ja, und für alles gibt es einen Grund. Du weißt schon, was die Hippies gesungen haben, damals, als wir dachten, dass die Welt es wert wäre, verändert oder sogar gerettet zu werden. Wir konnten nicht einmal unsere verdammte Denkweise ändern.
    Er hörte Tamara hinter sich. Die Dose, die sie trug, machte ein schwappendes Geräusch, als sie das Gewicht von einer Hand in die andere wechselte. Der Griff schnitt ihr in die Handflächen und ihre Arme waren wahrscheinlich schon taub.

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