Die Ernte
Chester erhob seinen knochigen Hintern aus dem Schaukelstuhl und schaute vorsichtig in den Koben. Er sah, dass sich Don Oscar in einem wilden Kampf mit der Sau auf dem Boden wälzte.
Dann verstummte die Sau plötzlich und Don Oscar kletterte über den Zaun und begann die Hühner zu verfolgen. Aber die Hühner rannten so schnell durch das Gras, als ob das Höllenfeuer bereits ihre Schwanzfedern versengen würde. Don Oscar aber verfolgte sie so umständlich, als ob er knietief in der Kuhscheiße waten würde. Und Boomer, der Don Oscars sauren Geruch nach gärender Maische kannte, heulte wie ein Schlosshund und bellte so laut, dass Chester Angst hatte, sein dünnes Trommelfell würde bald platzen.
Chester machte einen Schritt nach vorne und stieß dabei sein Gefäß mit dem schwarzgebrannten Schnaps um, das am Boden gestanden war. Er hatte gehofft, dass Oscar Nachschub bringen würde, sozusagen als Gegenleistung dafür, dass er hergekommen war und ihn zu Tode erschreckt hatte. Chester blieb am Rande der Veranda stehen und lehnte sich auf die Brüstung und rief: »Don Oscar, warum jagst du meine Tiere?«
Als Don Oscar die Stimme Chesters hörte, drehte er sich mit einer seltsamen, aber doch flüssigen Bewegung um, und Chester konnte zum ersten Mal einen ordentlichen Blick auf ihn werfen. Sein Freund war irgendwo in dieser Kreatur verborgen, weil man seinen kahlen Kopf noch leuchten sehen konnte und die runden Backen zu seinem typischen Lächeln verzogen waren. Aber dann sah er die Augen.
Die Augen lagen zu tief in ihren Höhlen, leuchteten grün und blickten ihn leer an. Boomer sprang von der Veranda hinunter und hinkte auf Don Oscar zu. Boomer hatte seine Lefzen hochgezogen und sein Schwanz streifte den Boden, als er sich zum Angriff zusammenkrümmte. Chester wusste, dass Boomer genauso wie er spürte, dass etwas nicht stimmte, nur dass der Instinkt des Hundes ein feinerer war. Und der Instinkt sagte ihm, dass Don Oscar sich verwandelt hatte, von einem kauzigen Schwarzbrenner zu etwas ganz anderem.
»Chesh-sher, ich bin´s, der Shu-shaaa «, sagte der verwandelte Schwarzbrenner, aber seine Worte kamen so undeutlich aus seinem Mund, als hätte er ihn voll mit verrottenden Dattelpflaumen.
Was auch immer es war, es machte keinen guten Eindruck auf Chester. »Was zur Hölle ist dir passiert?«
»Shu-shaaa«, sagte Don Oscar und breitete seine schwammigen Arme weit aus.
Don Oscar sprach normalerweise immer über Wissenschaft, besonders dann, wenn es um das Destillieren von Alkohol ging. Aber diesmal schien es Chester, dass irgendetwas Wissenschaftliches völlig außer Kontrolle geraten war.
Boomer knurrte noch einmal und schnappte nach Don Oscars Hosenbeinen. Die Zähne des Hundes schlugen in den Schnürlsamt und er schüttelte seinen dicht behaarten Kopf hin und her. Don Oscar ließ seine Arme sinken, kniete sich nieder und umarmte den Hund. Boomer ließ seinen Kopf zurückschnellen. Zwischen den Zähnen hielt er einen Stofffetzen und ein Stück matschiges Fleisch, von dem eine Flüssigkeit tropfte. Aber die Flüssigkeit, die eigentlich Blut sein müsste, hatte die Farbe eines Frostschutzmittels.
Don Oscar führte Boomers Gesicht zu seinem und packte ihn bei der Schnauze. Don Oscars Augen wurden heller, so als ob er Boomers Atem in sich einsaugen und so seine Batterien wieder aufladen würde. Dann ließ er Boomer wieder schwer auf den Boden fallen. Der Hund lag ohne Regung im Dreck. Strohhalme und Blätter klebten an seinem Fell.
Chester wollte schnell sein Gewehr holen. Sein Großkaliber hing an einem hölzernen Haken im Wohnzimmer und ein geladenes Jagdgewehr lehnte in der Ecke. Aber da sich Don Oscar langsam in Richtung Tür bewegte, wollte es Chester nicht riskieren, von diesen gallertartigen Armen berührt zu werden oder auch nur in die Nähe seines fauligen Atmens zu gelangen.
Chester tauchte unter der Brüstung durch und rannte Hals über Kopf zur eingestürzten Futterkrippe, dann schlug er einen Haken und rannte zur Scheune. Sein Herz begann zu schmerzen, als ob er mit einer Rasierklinge in der Hand eine Faust ballen würde. Er öffnete die Türe zur Scheune und verfluchte sich leise, weil er sich in den letzten zwanzig Jahren nie die Mühe gemacht hatte, die Scharniere zu ölen. Aber wer hätte auch wissen können, dass dies einmal eine Frage von Leben oder Tod sein könnte.
Er bahnte sich einen Weg unter den Resten von Pferdezügeln hindurch, die vom Scheunendach baumelten. Durch die länglichen
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