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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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»Oh, Baby!«
    Tamara sah ihm zu, wie er eine Minute vor Aufregung im Zimmer auf und ab ging, während die Fernsehsprecher über Turnierauslosungen, Achtel- und Halbfinali und Setzlisten laberten. Im Sport gab es also auch eine Geheimsprache, genauso wie in der Psychologie, der Uni oder der Religion. Auch nur eine einfache Glaubenssache, nur dass im Sport die Resultate einfacher zu zählen waren.
    Jeder braucht eben seine eigenen Phrasen. Sogar Möchtegern-Hellseher brauchen Namen für ihre inneren Stimmen. Namen wie Shu-shaaa.
    Später, im Bett, berührte sie Robert vorsichtig. Seine Hände waren von der Aufregung des Spiels noch warm und feucht. »Wie war dein Tag, Schatz?«
    Sie lächelte den dunklen Polster an. »Gut. Keine innere Stimme.«
    »Das freut mich.«
    »Freust du dich schon auf das Blütenfest?«
    »Ich werde mir einen Aschenbecher mit der Flagge der Südstaaten kaufen und vielleicht eines von diesen Plumpsklos aus Holz, du weißt schon, eines mit dem Hillybilly drauf, der einen Maiskolben als Schwanz hat.«
    Sie lachte und sie war überrascht, dass sie ihr Lachen überraschte. Lachen passte irgendwie nicht hierher, so wie es in ihrem Schlafzimmer in letzter Zeit zugegangen war.
    Robert kuschelte sich gegen das warme Flanell ihres Nachthemdes. Die Nacht war noch ein bisschen feucht und kühl, aber sie zog das Nachthemd hauptsächlich deshalb an, damit Robert es ihr wieder ausziehen konnte. Hoffte sie zumindest.
    »Hör mal, Schatz. Ich weiß, dass ich in letzter Zeit ein bisschen komisch war«, sagte er. »Ich machte mir Sorgen wegen der Arbeit und so, ich mache mir eben Gedanken, ob es richtig war, hierher zu ziehen.«
    »Wir haben das doch oft genug besprochen, Robert. Du magst deine Arbeit. Es ist vielleicht nicht das Gleiche wie bei einer kommerziellen FM-Radiostation, aber für die Zuhörer ist es genauso wichtig. Und den Kindern gefällt es hier wirklich gut.«
    »Aber was ist mit dir? Ich fühle mich so egoistisch, wenn ich daran denke, dass du wegen mir von der Uni in Carolina weg bist, obwohl es für dich dort gerade brillant zu laufen begann.«
    »Das kann hier in Westridge genauso gut noch passieren.«
    »Bist du dir sicher, dass du hier wirklich glücklich bist?«
    Sie drehte sich zu ihm, so nahe, dass sie seinen Atem in ihren Haaren fühlen konnte. Seine Augen schienen in der Dunkelheit zu glitzern
    »Mir geht es gut, Liebling«, sagte sie. »Du weißt das. Und du weißt, dass ich ehrlich zu dir bin und ich vertraue darauf, dass auch du immer ehrlich zu mir sein wirst.«
    Eine lange Pause folgte. Tamara hatte Angst, dass Robert ihr nicht glauben könnte.
    »Schatz«, sagte er. »Da gibt es etwas, was ich dir schon länger sagen wollte…«
    SHU-SHAAA.
    Ihre innere Stimme überschwemmte sie in einer grau-roten Flutwelle, die gegen die Klippen ihres Verstands schlug. Sie setzte sich im Bett kerzengerade auf und lauschte auf die dunkle Welt da draußen.
    Grillen. Ein Streifenhörnchen keckerte. Ein Hund bellte am Ende der Straße. Da – ein Zweig knackste.
    »Irgendetwas ist da draußen, Robert.«
    »Schatz, es ist mitten in der Nacht. Hier bewegt sich nichts mitten in der Nacht. Das ist gegen das Naturgesetz in Windshake.«
    »Robert, du kennst mich.«
    Robert seufzte laut auf und rollte sich aus dem Bett. Er drückte sein Gesicht gegen das Fenster und schaute in den Wald, der an den Hinterhof grenzte.
    Robert drehte sich wieder um und Tamara sah die schwarzen Umrisse seiner erhobenen Arme, die sich gegen das vom Mondeslicht erleuchtete Fenster abzeichneten.
    »Es ist nichts, Schatz«, sagte er und die Matratze stöhnte auf, als er wieder unter die Decke schlüpfte.
    »Meine Stimme hat sich wieder gemeldet.«
    »Ich weiß«, murmelte Robert. »Lässt dich diese verdammte Stimme nie in Ruhe?«
    Tamara war verletzt. Tränen schossen in ihre Augen. Doch dann verwandelte sich ihr Schmerz in Zorn. Dieses Arschloch würde sie nicht zum Weinen bringen.
    »Du könntest ruhig ein bisschen mehr Mitgefühl zeigen«, sagte sie. Ihre Stimme war kalt und abweisend. Ihr Körper war eiskalt. Ihr Herz war eiskalt, wie ein geschrumpfter verglühter Stern, der unter dem Gewicht seiner eigenen Schwerkraft abstürzte.
    »Ich habe Mitgefühl gezeigt«, sagte Robert. »Jahrelang. Dein Vater ist tot und du kannst ihn nicht mehr zum Leben erwecken.«
    »Aber es war meine Schuld.«
    »Nein. Du hattest einfach einen Traum. Du hattest zufälligerweise einen Traum, dass er in einem Metallrohr durch die Dunkelheit raste

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