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Die Ernte

Die Ernte

Titel: Die Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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erneut die Wand entlang, bis er einen Lichtschalter finden konnte. Er drückte den Schalter einmal, zweimal.
    Nichts.
    In dem engen Stiegenhaus war es noch dunkler als im Wohnzimmer. Er versuchte in die Dunkelheit zu spähen. In der Finsternis bewegte sich etwas.
    »Chester?« Er wünschte, dass er eine Taschenlampe mitgenommen hätte. Als Chesters Telefon nicht mehr funktionierte, hätte er sich ja denken können, dass der Strom weg sein würde. Chester hatte so komisches Zeug von Bäumen, die plötzlich zu Boden stürzten, und einem seltsamen grünen Leuchten erzählt. Das hatte gereicht und DeWalt war sofort von seinem Sofa aufgesprungen und hatte sich auf den Weg gemacht.
    Du bist mir ja ein toller Helfer.
    Ich mache mir Sorgen, Herr Vorsitzender.
    Warum rast dein Herz? Warum zitterst du? Wovor hast du Angst?
    Vor dem Unbekannten.
    Bruder, alles ist unbekannt. Außer deinen Geschlechtsorganen, die du nur zu gut kennst.
    Einspruch. Man muss ja nicht zu persönlich werden.
    Der erste Grundsatz des Königlichen Ordens der Blutenden Herzen ist "Erkenne dich selbst".  Davor hast du wahrscheinlich größere Angst als vor allem anderen.
    Herr Vorsitzender, ich habe genug von Ihren Flower-Power-Slogans und Ihrem unausgegorenen Solipsismus.
    Bruder, sind das die ersten Anzeichen von Meuterei?
    Kommen Sie mit mir mit, Herr Vorsitzender. Wenn Sie sich trauen.
    DeWalt stieg die Treppe hinauf. Er stolperte über die engen Stufen und suchte mit seinen Armen an den Wänden nach Halt. Hier war die Luft kühler und er konnte einen Luftzug spüren, als er in den Raum trat. Ein Lichtstrahl schnitt wie ein Schwert durch die Dunkelheit. Das Zimmer war augenscheinlich Chesters Schlafzimmer und erstreckte sich über den gesamten ersten Stock. Am Messingrahmen eines großen Bettes spiegelte sich das Licht des Mondes.
    Er ging zum Bett und suchte  zwischen den zerfledderten Decken nach Chesters leblosem Körper, den er dort vermutete. Als er die Decken anhob, stieg ihm der saure Geruch nach kaltem Schweiß und Urin in die Nase. Er wollte gerade wieder die Treppe hinabsteigen, als er ein Rascheln unter dem Bett hörte.
    Das war aber keine Wollmaus, Bruder.
    Sollen wir nachsehen, Herr Vorsitzender?
    Es ist deine Entscheidung.
    DeWalt beugte sich nieder und eines seiner Knie knackte. Er stützte sich mit einer Hand auf dem Bett ab und eine kaputte Matratzenfeder stach ihm dabei in die Hand. Er beugte sich noch tiefer und drehte seinen Kopf so, dass er trotz des wenigen Lichts genug sehen konnte. Er hörte noch einmal ein leises Rascheln und dann sah er ein dünnes, dunkles Seil, das sich am Boden bewegte.
    Das Seil bewegte sich in seine Richtung, dann sah er einen dunklen Körper, der an dem Seil hing. Boomer. Chesters bester Freund mit Hängeohren und zuverlässiger Produzent von Methangasen. Der Hund kam auf ihn zu und DeWalt sah eine nass glitzernde Stelle im Gesicht des Hundes, die einmal seine Nase gewesen sein musste.
    DeWalt wunderte sich, warum der räudige Hund bei seiner Ankunft nicht gebellt hatte. Er kannte seinen Geruch und hatte sicherlich gehört, dass er mit seinem Pathfinder vorgefahren war. Zum Teufel noch einmal, Boomer war ja immerhin ein Jagdhund.
    Chester nahm Boomer normalerweise überall hin mit. Sogar im Pickup, wenn Chester hinter dem Lenkrad saß, war Boomer auf dem Beifahrersitz und legte seine Pfoten auf das Armaturenbrett.  Aber Chesters Auto war vor dem Haus geparkt, also war Boomers Herrchen nicht alleine unterwegs.
    »He, alter Junge«, sagte DeWalt beruhigend.
    Boomer kroch auf seinem Bauch und versuchte auf die Beine zu kommen. DeWalt konnte hören, wie Boomers Knochen auf dem Boden aufschlugen, als der Jagdhund sich in seine Richtung bewegte.
    »Braver Hund«, sagte DeWalt. Er wollte gerade seine Hand ausstrecken, um den Hund zu streicheln, als plötzlich der Hundekopf aus dem Schatten des Bettes auftauchte.
    DeWalt zuckte zurück, als hätte er einen Stromschlag erhalten.
    Jetzt wusste er, warum der Hund nicht gebellt hatte.
    Das Ding, das da auf den Schultern des Hundes saß, war kein Kopf. Es sah eher nach einem umgedrehten Stiefel aus, aus dem eine lange, trockene und ledrige Zunge hing, die bis auf den Boden baumelte. Auf jeder Seite des entstellten Gesichts glühte ein Auge, das einer radioaktiven, grünen Erbse ähnelte. Die feuchte Stelle, die DeWalt schon zuvor gesehen hatte, war ein offenes Loch, das in Boomers Schädel wie eine Venusfliegenfalle klaffte, die sich mit einem schwachen,

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