Die Ernte
Arbeitszeit und das Baumaterial gratis zur Verfügung gestellt.«
Sie prüfte sein Gesicht und suchte vergeblich nach Spuren von Selbstgefälligkeit. Sie hoffte, dass er niemals gegen sie kandidieren würde. Er könnte gefährlicher sein, als er aussah. Aber sie war sicher, dass sie im Fall des Falles auch etwas gegen ihn finden könnte. Seine Ex-Frau, zum Beispiel.
»Vielen Dank, Mr. Lemly. Also haben wir alles geklärt. Ich möchte mich persönlich bei dem Organisationskommitee für die harte Arbeit bedanken und meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass das diesjährige Blütenfest das Beste sein wird, das jemals in Windshake stattgefunden hat.«
Sie blickte zu Dennis Thorne um sicher zu gehen, dass er den letzten Satz aufgenommen hatte. Patterson schaute auch zu ihm. Dennis hielt sein Mikrophon in die Luft, während der hölzerne Applaus im Sitzungssaal langsam verebbte.
»Die Sitzung ist geschlossen«, sagte Virginia und erhob sich zwischen den Flaggen von North Carolina und den Vereinigten Staaten, die sie wie Bodyguards flankierten. Sie wartete, bis ihre Untertanen den Raum verlassen hatten und in die kühle Nachtluft getreten waren.
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Die Kinder waren im Bett. Tamara hatte sie zu Bett gebracht, obwohl Kevin in letzter Zeit ein wenig gegen den Gute-Nacht-Kuss rebellierte. Sie hatte Ginger das Butter Battle Book von Dr. Seuss vorgelesen.
Wie wahr das war. Wenn die Menschen sich weniger darum kümmern würden, wie andere ihr Brot mit Butter bestrichen, dann wäre die Welt nicht so aus dem Gleichgewicht. Dr. Seuss war seiner Zeit eindeutig voraus.
»Mama, was heißt "aus dem Gleichgewicht?«, fragte Ginger, als Tamara gerade das Licht abdrehen wollte.
»Es bedeutet durcheinander, nicht sauber und geordnet. Wo hast du denn diesen Ausdruck gehört?«, fragte Tamara.
»Ich weiß nicht. Hab einfach gerade daran gedacht.«
Zufall. Wahrscheinlich hatte sie es in der Schule gehört.
Tamara küsste Ginger auf die Nase. »Und wenn du jetzt nicht bald schläfst, dann wirst du morgen aus dem Gleichgewicht sein.«
Sie ging ins Wohnzimmer und setzte sich mich einem Stapel Arbeiten auf die Couch neben Robert, der ein Basketballspiel im Fernsehen anschaute.
»Verdammte Betrüger«, sagte er und seine Halsader schwoll vor Zorn an.
»Beruhige dich, Schatz. Es ist nur ein Spiel.«
»Nur ein Spiel? »Nur ein Spiel?« Er fuhr sich mit einer Hand durch das dunkle Haar, das schon die ersten silbrigen Strähnen bekam. »Das Team der Universität von North Carolina spielt gerade. Sechs Punkte hinten und es dauert nur mehr eine Minute. Und die Antichristen der St. John´s Universität haben gerade den Ball.«
Tamara wollte schon eine Bemerkung machen, dass Robert hier stellvertretend seinen männlichen Gladiatorentrieb auslebte, ließ es dann aber lieber sein. Zwischen ihnen gab es in der letzten Zeit schon genug Spannungen und eine harmlose Bemerkung könnte in Anarchie ausarten. Robert lehnte sich zurück und nahm einen Schluck von seiner heißen Schokolade. Tamara beobachtete ihn aus ihren Augenwinkeln.
Er ballte seine Hand zu einer Faust, als North Carolina einen Sprungwurf versenkte.
Vielleicht hat er ja gute Laune, wenn sein Team gewinnt. Vielleicht heute Nacht. Meine innere Stimme ist gerade auf Urlaub, auch wenn sie die Verbindung nicht ganz abreißen lassen haben.
Sie schaute auf die Arbeiten und die Wörter verschwammen vor ihren Augen. Sie brauchte eine Pause. Von der Psychologie. Vom Denken. Vom Shu-shaaa. Sie legte die Hefte zur Seite und legte ihren Kopf auf Roberts Schulter.
Sie sah zu, wie Roberts Team einen Dreipunkter scorte und ihr Kopf fiel von der Schulter auf den Couchpolster, als sich Robert vor Aufregung plötzlich nach vorne beugte. Sie legte ihre Hand auf sein Knie und streichelte seinen Oberschenkel, als ein dünner Spieler von Carolina zwei Freiwürfe versenkte.
»Was für ein Comeback«, schrie der Fernsehsprecher.
Die Masse brüllte wie bei einer Veranstaltung der Nazis im Dritten Reich. Tamara versuchte sich eine so große Begeisterung bei der Eröffnung einer Bibliothek oder dem Ende der Aufführung von Our Town , gespielt von einer Laienschauspielertruppe, vorzustellen. Doch es wollte ihr nicht richtig gelingen. Die Schlusssirene ertönte im Fernsehen und Robert sprang vor Begeisterung in die Luft. Er hatte seine Arme erhoben, so wie Kevin es tat, wenn er begeistert war.
»Was für eine Niederlage für die Roten«, sagte Robert in der Stimme des Fernsehsprechers.
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