Die Eroberung Von Mexiko Durch Ferdinand Cortes
der Machtfülle der Feinde, nicht Meuterei und Widerrede im eigenen Heere, nicht die Ränke seiner Widersacher auf der Insel Kuba und später am Kaiserhofe, nicht die Übermacht des gegen ihn anrückenden Narvaez, nicht einmal der grausige Schlag der Noche triste. Und kaum sind Land und Stadt Mexiko niedergerungen und friedlich gemacht, so schaut seine Tatenlust von neuem in die Fernen. Er beginnt seine Herrschaft nach allen Richtungen auszudehnen und versucht sein Glück in Honduras, in Kalifornien, in Panama und am Panuko. Nur die Ängstlichkeit und Engherzigkeit des Kaisers, dessen treuester Kriegsmann er zeitlebens mit Leib und Seele war, hemmt ihn, nach Peru und noch weiter ins Unbekannte vorzudringen. In seinem 5. Bericht an Karl V. schlägt er eine Unternehmung nach den Molukken und nach China vor.
Dieser Geist des fahrenden Ritters könnte uns verleiten, seine Fähigkeiten als Feldherr zu unterschätzen und ihn lediglich als glücklichen Abenteurer anzusehen. Doch das hieße ihm Unrecht antun; denn Cortes war ein großer Feldherr, wenn der einer ist, der aus einem Haufen zusammengelaufener Männer eine Kriegerschar macht, die mit ihm durch dick und dünn geht, der Tausende von Amerikanern zum blutigen Bruderkrieg zu begeistern und zu führen versteht, kurzum, der mit völlig unzureichenden Mitteln einen Kriegszug unternimmt und durchführt, der seinesgleichen in der Weltgeschichte nicht hat.
Was die Nachwelt an Alexander dem Großen bewundert, seinen wohlvorbereiteten Zug nach dem fernen Indien, Ländern, die noch kein Europäer betreten: der Zug des Ferdinand Cortes steht ihm in nichts nach. Und jene wunderbare Eigentümlichkeit des genialen Hannibal, das bunteste Gemisch von Landsleuten, Söldnern und Bundesgenossen mit einem Wort, einem Blick, einer Geste zu einer Einheit zu verschmelzen: wir finden sie in Cortes wieder. Keine der hohen Tugenden eines großen Heerführers ermangelt ihm. Willensstärke, Beharrlichkeit, Kühnheit, Ruhe in der Gefahr, seelische Überlegenheit, rasche Entschlußfähigkeit, Erfindungsgeist, innere Anschauungskraft, alles das offenbart sich in ihm immer von neuem.
Seine Macht über die Gemüter seiner Offiziere und Soldaten, der Masse wie dem einzelnen gegenüber, war nicht nur das natürliche Ergebnis ihres Vertrauens auf seine Führerfähigkelten. Etwas persönliches bindet alle diese Männer noch überdies an ihn. Er verstand es, ihnen allen als Kamerad und Freund zu begegnen, ohne von seiner Generalswürde das geringste einzubüßen. Auf andere Weise wäre es nicht möglich gewesen, eine Rotte von goldgierigen Abenteurern auf die Dauer zu bändigen und mit ihnen in schwierigen Lagen immer wieder Großes zu vollbringen. Bernal Diaz erzählt, daß ihn seine Veteranen einfach mit »Cortes« anreden durften, ohne Titel und sonstigen Zusatz. Bei alledem herrschte volle Zuchtund Ordnung in seinem Heere. Er wußte im rechten Augenblick durchaus streng zu sein. Alles in allem aber handelte er nach dem schönen Grundsatze Friedrichs des Großen: Am Tage einer Schlacht sollen mich meine Soldaten mehr lieben denn fürchten!
Bernal Diaz ist das beste Beispiel für die unauslöschliche Liebe und Anhänglichkeit, mit der das Heer an Cortes hing. Jener derbe Soldat kennt keine Schmeichelei. Im Gegenteil, er hat seine uns gerade darum wertvollen Denkwürdigkeiten niedergeschrieben, well er die Kriegstaten des von Gomara vergötterten Herrn und Meisters auf das Maß der Wirklichkeit zurückführen will. Sein Bildnis des Eroberers bringt auch die von Gomara sorglich übermalten Schwächen an den Tag. Eines jedoch ist rührend. So gern Diaz an Cortes und seinen Taten krittelt und zerrt, sobald es aber gilt, den Feldherrn gegen Beschuldigungen oder Herabsetzungen Dritter zu schützen, da gibt es nur einen Generalkapitän, nur einen Eroberer, nur einen Helden: Ferdinand Cortes. Das ist ganz so, wie es für die Offiziere und Soldaten der napoleonischen Heere immer wieder nur den Einen gab, den Kaiser.
Cortes war kein gewöhnlicher Eroberer. Ehrgeiz und Gewinnsucht waren durchaus nicht die Haupttriebfedern in ihm. Er hatte zweifellos einen höheren Drang in sich. Seinem Kaiser die ganze Welt erobern helfen, war sein unermüdlicher Gedanke. Der Beinamen »Der Eroberer«, mit dem ihn seine Zeitgenossen ehrten, war sein ganzer Stolz. Dabei hielt er die alte Wahrheit hoch, die der zielbewußte Preußenkönig ein Jahr vor dem Siebenjährigen Kriege in die Worte gefaßt hat: »Nur keine grands
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