Die Eroberung Von Mexiko Durch Ferdinand Cortes
ihrem Beispiel zu folgen, wenn die Umstände es gefordert hätten. Cortes selbst wäre Zweifellos der erste gewesen, der sein Leben für den Glauben Spaniens eingesetzt hätte. Er hat sein Leben, sein Vermögen und den ganzen Erfolg seines Unternehmens mehr als einmal in die größte Gefahr gebracht, dadurch, daß er im Sinne seines frömmlerischen Kaisers die Bekehrung der Eingeborenen voreilig und in scharfer Weise erzwingen wollte.«
Man hat vermeint, jenes berühmte Charakterbild, das Titus Livius zu Anfang des 21. Buches seiner Römischen Geschichte von Hannibal entworfen hat, passe Satz für Satz auch auf Cortes. Livius stellt den unbestreitbar großen Eigenschaften Hannibals als Heerführer »unmenschliche Grausamkeit und mehr als punische Treulosigkeit« entgegen. Mag der Barkide im Kampfe zuweilen zu Grausamkeiten gezwungen gewesen sein, wie dies jedem Feldherrn zuzeiten ergeht, mag er als Staatsmann die herkömmliche punische Gerissenheit weitergepflogen haben: persönlich war Hannibal weder treulos noch unwahr noch gefühllos [19] . Ebensowenig war Cortes als Mann und Mensch irgendwie unritterlich und unedel.
Wenn man seine Berichte an den Kaiser mit anderen zeitgenössischen und zuverlässigen Quellen vergleicht, so findet man hier und da Abweichungen, die ohne Zweifel den Zweck haben, gewisse Vorgänge und Tatsachen zu verschleiern. Cortes war zu diesen Machiavellismen gezwungen, um seine Macht und sein begonnenes großes Werk aufrechtzuerhalten. Überdies ist er gerade an solchen Stellen ein unvergleichlich feiner Stilist. Lügen sagt er nie, aber er verschweigt so manches und hüllt die Dinge, wo es ihm erforderlich scheint, gern in ein doppelsinniges Halbdunkel.
In diesen reizvollen Schatten rückt Cortes aber auch zuweilensein eigenes Verdienst. Daß es seine persönliche Tapferkeit war (vgl. Seite 348), durch die bei Otumba sein kleines Heer den Pyrrhussieg davontrug, verschweigt er in edler Bescheidenheit.
Was man auch einwenden mag gegen den Eroberer und seine Kriegstaten, eines bleibt bestehen: Ferdinand Cortes war ein ganzer Mann, und die Berichte, die er seinem Kaiser schickt, sind ein schönes Denkmal, dauernder als Erz, das er sich selber gesetzt hat.
Cambrai , am 26. April 1917.
Arthur Schurig
Ferdinand Cortes an Kaiser Karl V.
Der Bericht vom 30. Oktober 1520
Das erste Kapitel
Eurer Kaiserlichen Majestät hab ich am 16. Juli im Jahre des Herrn 15l9 durch meine Hauptleute Alfons Ferdinand Puerto-Carrero und Franz von Montejo einen umständlichen und wahrhaftigen Bericht alleruntertänigst übersandt von allen den Begebnissen, die bis zu meiner Landung hier in Neu-Hispanien, am Karfreitag den 22. April ebendesselben Jahres, und bei der Gründung der Stadt Villa Rica de la Vera Cruz – der Reichen Stadt des Wahren Kreuzes – in Allerhöchstdero Namen geschehen sind. Seitdem hab ich keine Gelegenheit gehabt, Eurer Kaiserlichen Majestät Weiteres zu melden, dieweil es mir an Schiffen mangelte und weil mich die Eroberung dieses Landes allezeit beschäftigt hat. Von dem Schiffe mit meinem Schreiben und den genannten Überbringern aber ist keinerlei Kunde zu mir gekommen. Also sende ich Eurer Kaiserlichen Majestät diesen zweiten Bericht. Gott der Herr weiß, was für Mühsale ich derweil hab ertragen. Aber mein eifriger Wunsch und mein steter Wille haben sich erfüllt, meinen hohen Herrn, den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, auch den Imperator der Neuen Welt heißen zu dürfen. Und vielleicht ist diese neue Krone nicht geringer zu achten als alle die anderen, die Eure Kaiserliche Majestät durch des Allmächtigen Gnade und durch Allerhöchstdero herrliche und berühmte Taten innehaben.
Wenn ich mich nun wollte unterstehen, von diesem Lande, seinen Städten, seinen Menschen und Sitten, seinen Schätzen und Merkwürdigkeiten alles bis ins einzelne zu erzählen, so könnt ich kein Ende finden. Eure Kaiserliche Majestät wolle mir derohalben gnädiglich verzeihen, wenn mein Bericht hie und da nicht ganz so ist, wie er wohl sein sollte. Ich bin im Schreiben ungeschickt, und ich hatte in den Händeln des Krieges nicht Gelegenheit, mich darin zu üben. Gleichwohl will ich nach dem Vermögen meines Verstandes alleGeschehnisse vorbringen, die zu wissen Eurer Kaiserlichen Majestät not tut. Manche Dinge vermag ich auch darum nicht bis ins kleine zu beschreiben, dieweil mir durch ein groß Unglück, das Eurer Kaiserlichen Majestät im Laufe dieses Buches kund werden wird,
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