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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gesagt, du siehst nichts! – Weißt du, was er in Besançon gemacht hat, der Abbé? Er hat einen Pfarrer erwürgt oder Fälschungen begangen. Man kann es nicht genau bestätigen … Tut nichts, anscheinend hat man ihn hübsch zugerichtet. Er war unerfahren. Er ist ein erledigter Mann.«
    Marthe hatte den Kopf gesenkt, ließ ihren Mann über die Niederlage des Priesters frohlocken.
    Mouret war entzückt.
    »Ich bleibe bei meiner ersten Ansicht«, fuhr er fort. »Deine Mutter muß wohl irgend etwas mit ihm im Schilde führen. Man hat mir erzählt, daß sie sehr liebenswürdig zu ihm war. Sie hat den Abbé gebeten, dich zu begleiten, nicht wahr? Warum hast du mir das nicht gesagt?«
    Ohne zu antworten, zuckte sie sanft die Achseln.
    »Du bist wahrhaftig komisch!« rief er. »Aber diese Kleinigkeiten sind von großer Bedeutung … So hat mir Madame Paloque, die ich eben getroffen habe, erzählt, daß sie mit mehreren Damen dageblieben sei, um zu sehen, wie der Abbé weggehen würde. Deine Mutter hat sich deiner bedient, um den Rückzug des Pfaffen zu decken, verstehst du denn nicht! – Versuche dich doch mal zu erinnern, was hat er dir gesagt, als er dich heimbrachte?« Er hatte sich vor seine Frau hingesetzt, er hielt sie fest unter der scharfen Frage seiner Äuglein.
    »Mein Gott«, antwortete sie geduldig, »er hat mir unbedeutende Sachen gesagt, Sachen, wie sie jeder sagen kann. Er hat von der Kälte gesprochen, die sehr scharf sei, von der nächtlichen Stille der Stadt; außerdem, glaube ich, von dem angenehmen Abend, den er gerade verbracht habe.«
    »Ah, der Scheinheilige! – Und hat er dich nicht über deine Mutter ausgefragt, über die Leute, die sie empfängt?«
    »Nein. Übrigens ist der Weg von der Rue de la Banne bis hierher nicht weit; wir haben keine drei Minuten gebraucht. Er ging neben mir, ohne mir den Arm zu reichen; er machte so große Schritte, daß ich fast gezwungen war zu rennen … Ich weiß nicht, was man hat, daß man so versessen hinter ihm her ist. Er sieht nicht glücklich aus. Er bibberte in seiner alten Soutane, der arme Mann.«
    Mouret war nicht bösartig.
    »Das stimmt«, murmelte er, »seit es draußen friert, ist ihm bestimmt nicht warm.«
    »Außerdem«, fuhr Marthe fort, »haben wir uns nicht über ihn zu beklagen: er zahlt pünktlich, er macht keinen Radau … Wo würdest du einen ebenso guten Mieter finden?«
    »Nirgends, das weiß ich … Was ich dir vorhin darüber sagte, habe ich gesagt, um dir zu zeigen, wie wenig du aufpaßt, wenn du irgendwohin gehst. Andererseits kenne ich die Sippschaft, die deine Mutter empfängt, zu gut, um mich bei dem aufzuhalten, was aus dem berüchtigten grünen Salon herausdringt. Immer Klatschereien, Schwindeleien, Geschichten, die aus einer Mücke einen Elefanten machen. Der Abbé hat zweifellos niemanden erwürgt, ebensowenig wie er Bankrott gemacht haben dürfte … Ich habe zu Madame Paloque gesagt: ›Ehe man andere auszieht, täte man gut daran, seine eigene schmutzige Wäsche zu waschen.‹ Wenn sie das auf sich bezogen hat, um so besser!«
    Mouret log, er hatte das nicht zu Frau Paloque gesagt. Aber Marthes Sanftmut bewirkte, daß er sich etwas schämte über die Freude, die er eben über die Mißgeschicke des Abbé an den Tag gelegt hatte. Die folgenden Tage stellte er sich rundweg auf die Seite des Priesters. Wenn er jemanden traf, den er nicht ausstehen konnte – Herrn de Bourdeu, Herrn Delangre, Doktor Porquier –, hielt er ihnen eine prächtige Lobrede auf Abbé Faujas, um ihnen nicht nach dem Munde zu reden, um sie zu ärgern und in Erstaunen zu setzen. Seinen Reden nach sei das ein ganz und gar bedeutender Mann von großem Mut, von großer Einfachheit in der Armut. Es müsse doch wahrhaftig sehr boshafte Leute geben. Und er ließ Anspielungen über die Leute einfließen, die bei den Rougons empfangen wurden, ein Haufe Heuchler, Mucker, eingebildete Dummköpfe, die den Glanz der wahren Tugend fürchteten. Nach Verlauf einiger Zeit hatte er die Sache des Abbé ganz zu seiner eigenen gemacht; er bediente sich des Abbé, um der Bande der Rastoils und der Bande der Unterpräfektur eins zu versetzen.
    »Falls das nicht jämmerlich ist!« sagte er manchmal zu seiner Frau und vergaß dabei, daß Marthe eine andere Sprache aus seinem Mund vernommen hatte. »Wenn man sieht, wie Leute, die ihr Vermögen man weiß nicht wo zusammengestohlen haben, so versessen hinter einem armen Mann her sind, der nicht einmal zwanzig Francs hat, um sich

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