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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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großen Wert darauf, zu zeigen, daß nicht nur die Rougons etwas zu bieten verstünden. Die Leute vom zweiten Stock kamen gegen acht Uhr herunter. Abbé Faujas trug eine neue Soutane. Das überraschte Mouret so sehr, daß er als Antwort auf die Artigkeiten des Priesters nur einige Worte stammeln konnte.
    »Wahrhaftig, Herr Abbé, es ist eine Ehre für uns … Los, Kinder, bringt doch Stühle her.«
    Man setzte sich um den Tisch. Es war zu warm, weil Mouret den Ofen übermäßig vollgestopft hatte, um zu beweisen, daß es ihm auf einen Scheit mehr nicht ankomme. Abbé Faujas zeigte sich sehr sanft; er liebkoste Désirée, erkundigte sich bei den beiden Jungen nach der Schule. Marthe, die Strümpfe strickte, blickte zuweilen auf, war verwundert über die geschmeidigen Modulationen dieser fremden Stimme, die sie nicht gewohnt war, im drückenden Frieden des Wohnzimmers zu hören. Sie betrachtete das kräftige Gesicht des Priesters, seine vierschrötigen Züge; dann senkte sie den Kopf wieder, ohne daß sie versuchte, die Anteilnahme zu verbergen, die sie für diesen so stämmigen und so zartfühlenden Mann hegte, dessen große Armut sie kannte. Ungeschickterweise verschlang Mouret die neue Soutane des Abbé geradezu mit dem Blick; er konnte nicht umhin, mit tückischem Lachen zu sagen:
    »Herr Abbé, es war nicht recht von Ihnen, Toilette zu machen, um hierherzukommen. Wir machen keine Umstände, das wissen Sie ja.«
    Marthe errötete.
    Aber der Priester erzählte fröhlich, daß er diese Soutane im Laufe des Tages gekauft habe. Er behalte sie an, um seiner Mutter Freude zu machen, die ihn, so neu eingekleidet, schöner als einen König fände.
    »Nicht wahr, Mutter?«
    Frau Faujas nickte bejahend, ohne ihren Sohn aus den Augen zu lassen. Sie hatte sich ihm gegenüber gesetzt und schaute ihn im grellen Schein der Lampe mit verzücktem Blick an.
    Dann sprach man von allen möglichen Dingen. Es schien, als habe Abbé Faujas seine trübsinnige Kälte verloren. Er blieb ernst, aber mit verbindlichem Ernst voller Gutmütigkeit. Er hörte Mouret zu, gab ihm bei den unbedeutendsten Themen Antwort, schien sich für seine Klatschereien zu interessieren.
    Mouret war dahin gelangt, ihm die Art und Weise, wie er lebte, zu erklären.
    »So, wie Sie es hier sehen«, sagte er schließlich, »verbringen wir den Abend; niemals mehr Umstände. Wir laden niemanden ein, weil man sich in der Familie immer wohler fühlt. Jeden Abend mache ich mit meiner Frau ein Spiel Pikett. Das ist eine alte Angewohnheit, ich hätte sonst Mühe einzuschlafen.«
    »Aber wir wollen Sie nicht stören«, rief Abbé Faujas. »Ich bitte Sie, sich unseretwegen keinen Zwang anzutun.«
    »Nein, nein, zum Teufel! Ich bin nicht versessen darauf; das eine Mal werde ich deswegen nicht sterben.«
    Der Priester bestand darauf. Als er sah, daß sich Marthe noch heftiger wehrte als ihr Gatte, wandte er sich an seine Mutter, die schweigend dasaß und die Hände vor sich gefaltet hatte.
    »Mutter«, sagte er zu ihr, »machen Sie doch ein Spiel Pikett mit Herrn Mouret.«
    Sie sah ihm aufmerksam in die Augen.
    Mouret konnte sich gar nicht beruhigen, lehnte ab, erklärte, er wolle den Abend nicht verderben; aber als der Priester ihm gesagt hatte, daß seine Mutter ganz hübsch was davon verstehe, wurde er schwach, murmelte er:
    »Wahrhaftig? – Also, wenn Madame es unbedingt will, wenn es niemanden stört …«
    »Na, Mutter, spielen Sie eine Partie«, wiederholte Abbé Faujas mit lauterer Stimme.
    »Gewiß«, antwortete sie endlich, »es wird mir Freude machen … Nur muß ich den Platz wechseln.«
    »Bei Gott! Das ist nicht schwierig«, erwiderte Mouret entzückt. »Sie wechseln den Platz mit Ihrem Sohn …. Herr Abbé, haben Sie doch die Freundlichkeit, sich neben meine Frau zu setzen. Madame wird sich hierher setzen, neben mich … Sie sehen, jetzt geht es vortrefflich.«
    Der Priester, der sich zuerst Marthe gegenüber auf die andere Seite des Tisches gesetzt hatte, fand sich so neben sie gedrängt. Sie waren an einem Ende sogar gleichsam abgesondert, weil die Spieler ihre Stühle nahe aneinandergerückt hatten, um den Kampf zu beginnen. Octave und Serge waren in ihr Zimmer hinaufgegangen. Désirée schlief, wie es ihre Gewohnheit war, am Tisch. Als es zehn Uhr schlug, wollte Mouret, der eine erste Partie verloren hatte, durchaus nicht schlafen gehen; er forderte Revanche. Frau Faujas fragte ihren Sohn mit einem Blick um seine Meinung; dann begann sie mit ihrer ruhigen

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