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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Miene die Karten zu mischen. Unterdessen wechselte der Abbé mit Marthe kaum einige Worte. An diesem ersten Abend sprach er von gleichgültigen Dingen, vom Haushalt, von den Lebensmittelpreisen in Plassans, von den Sorgen, die die Kinder bereiten. Marthe antwortete verbindlich, hob von Zeit zu Zeit ihren klaren Blick, verlieh dem Gespräch etwas von ihrer klugen Bedächtigkeit.
    Es war gleich elf Uhr, als Mouret seine Karten mit einigem Unwillen hinwarf.
    »Na also, ich habe noch mal verloren«, sagte er. »Ich habe heute abend kein schönes Blatt gehabt. Morgen werde ich vielleicht mehr Glück haben … Bis morgen, nicht wahr, Madame?« Und als sich Abbé Faujas entschuldigte und sagte, sie wollten das nicht mißbrauchen, sie könnten sie nicht jeden Abend so stören, rief er: »Aber Sie stören uns nicht! Sie machen uns Freude … Übrigens verliere ich, zum Teufel! Madame kann mir eine Partie nicht abschlagen.«
    Als sie eingewilligt hatten und hinaufgegangen waren, murrte Mouret, wollte es nicht wahrhaben, daß er verloren hatte. Er war wütend.
    »Die Alte versteht weniger davon als ich, dessen bin ich sicher«, sagte er zu seiner Frau. »Bloß Augen hat sie! Es ist anzunehmen, daß sie mogelt, mein Ehrenwort! – Man muß morgen aufpassen.«
    Von da an kamen die Faujas regelmäßig jeden Tag herunter, um den Abend mit den Mourets zu verbringen. Zwischen der alten Dame und ihrem Hauswirt war ein furchtbarer Kampf entbrannt. Sie schien ihn zum besten zu haben, ihn gerade genug gewinnen zu lassen, um ihn nicht zu entmutigen, was ihn in dumpfer Wut hielt, um so mehr, als er seinen Stolz darein setzte, ganz hübsch Pikett zu spielen. Er träumte davon, sie ganze Wochen hindurch zu schlagen, ohne sie eine Partie gewinnen zu lassen. Sie bewahrte eine wunderbare Kaltblütigkeit; ihr vierschrötiges Bäuerinnengesicht blieb stumm, ihre derben Hände warfen die Karten mit der Kraft und Regelmäßigkeit einer Maschine hin. Gleich um acht Uhr setzten sich beide an das Tischende, versenkten sich in ihr Spiel und rührten sich nicht mehr.
    Am anderen Ende waren zu beiden Seiten des Ofens Abbé Faujas und Marthe gleichsam allein. Der Abbé empfand als Mann und Priester Verachtung für die Frau; er schob sie wie ein schändliches, der Starken unwürdiges Hindernis beiseite. Wider seinen Willen brach diese Verachtung oft in einem derben Wort durch. Und von einer seltsamen Bangigkeit erfaßt, blickte Marthe dann auf in einem jener plötzlichen Angstanfälle, die einen veranlassen, hinter sich zu schauen, ob nicht irgendein verborgener Feind gleich den Arm hebt. Andere Male hielt sie mitten im Lachen jäh inne, wenn sie seine Soutane gewahrte; verlegen, erstaunt darüber, so mit einem Mann zu sprechen, der nicht wie die anderen war, verstummte sie. Es dauerte lange, bis zwischen ihnen Vertrautheit entstand.
    Abbé Faujas fragte Marthe niemals unumwunden über ihren Mann, ihre Kinder, ihr Haus aus. Nach und nach drang er nichtsdestoweniger in die winzigsten Einzelheiten ihrer Geschichte und ihres gegenwärtigen Lebens ein. Jeden Abend erfuhr er, während Mouret und Frau Faujas sich wütend bekämpften, irgendeine neue Tatsache. Einmal machte er die Bemerkung, daß sich die beiden Ehegatten erstaunlich ähnlich sähen.
    »Ja«, antwortete sie mit einem Lächeln, »als wir zwanzig waren, hielt man uns für Geschwister. Das hat uns sogar ein bißchen zu unserer Heirat bewogen; man scherzte darüber, man setzte uns immer nebeneinander, man sagte uns, wir gäben ein hübsches Paar ab. Die Ähnlichkeit war so verblüffend, daß der würdige Herr Compan, der uns doch kannte, uns zuerst nicht trauen wollte.«
    »Sie sind doch Cousin und Cousine?« fragte der Priester.
    »In der Tat«, sagte sie, leicht errötend, »mein Mann ist ein Macquart, ich bin eine Rougon.«
    Verlegen schwieg sie einen Augenblick, weil sie ahnte, daß der Priester die in Plassans berühmte Geschichte ihrer Familie kannte. Die Macquarts waren ein Bastardzweig der Rougons.
    »Das sonderbarste ist«, begann sie wieder, um ihre Verwirrung zu verbergen, »daß wir beide unserer Großmutter ähneln. Die Mutter meines Mannes hat ihm diese Ähnlichkeit vererbt, während sie bei mir nach einer Zwischenstufe wieder zum Vorschein kam. Man möchte meinen, sie hat meinen Vater übersprungen.«
    Nun führte der Abbé ein ähnliches Beispiel in seiner Familie an. Er habe eine Schwester, die, wie es ihm vorkomme, das lebende Abbild des Großvaters seiner Mutter sei. Die

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