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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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wie sie es in dessen Arbeitszimmer getan hätte, wenn sie zu ihm gekommen wäre, um seine Meinung einzuholen.
    Die Unterredung dauerte eine gute halbe Stunde. Der Architekt zeigte sich sehr entgegenkommend; seiner Ansicht nach war es nicht nötig, eine Heimstatt für das Marienwerk, wie der Abbé die geplante Einrichtung nannte, zu bauen. Das würde viel zu teuer kommen. Es sei vorzuziehen, ein fertiges Gebäude zu kaufen, das man den Bedürfnissen der Stiftung anpassen könnte. Und er wies sogar auf ein ehemaliges Pensionat in der Vorstadt hin, in dem sich ein Futterhändler niedergelassen hatte, und das zum Verkauf stand. Er machte sich anheischig, diese Ruine mit einigen tausend Francs völlig umzugestalten; er versprach sogar Wunderdinge, einen eleganten Eingang, geräumige Zimmer, einen mit Bäumen bepflanzten Hof. Nach und nach sprachen Marthe und der Priester lauter, unter dem hallenden Gewölbe des Kirchenschiffes erörterten sie Einzelheiten, während Herr Lieutaud mit der Spitze seines Stockes auf die Steinplatten kritzelte, um ihnen eine Vorstellung von der Fassade zu vermitteln.
    »Also abgemacht, mein Herr«, sagte Marthe, als sie sich von dem Architekten verabschiedete, »Sie machen einen kleinen Kostenanschlag, damit wir wissen, woran wir uns zu halten haben … Und Sie haben die Güte, uns das Geheimnis zu hüten, nicht wahr?«
    Abbé Faujas wollte sie bis zu der kleinen Pforte der Kirche begleiten. Als sie zusammen vor dem Hauptaltar vorbeigingen und sie sich weiter lebhaft mit ihm unterhielt, war sie ganz überrascht, ihn nicht mehr an ihrer Seite zu finden; sie suchte ihn, sie gewahrte ihn tiefgebeugt gegenüber dem großen, in seiner Musselinverkleidung verborgenen Kreuz. Dieser mit Gips bestäubte Priester, der sich so verneigte, rief in ihr eine eigentümliche Empfindung hervor. Sie entsann sich, wo sie war, schaute mit unruhiger Miene um sich, dämpfte das Geräusch ihrer Schritte. An der Tür reichte ihr der Abbé, der sehr ernst geworden war, schweigend den mit Weihwasser benetzten Finger. Sie bekreuzigte sich ganz verwirrt. Die gepolsterte Flügeltür fiel mit einem erstickten Seufzer sacht hinter ihr zu.
    Von dort ging Marthe zu Frau de Condamin. Sie war glücklich, in der frischen Luft durch die Straßen zu laufen; die paar Gänge, die ihr zu tun blieben, kamen ihr wie eine Vergnügungspartie vor. Frau de Condamin empfing sie mit freundschaftlichem Erstaunen. Die liebe Madame Mouret komme so selten! Als sie erfuhr, worum es sich handelte, erklärte sie sich entzückt zu allen Aufopferungen bereit. Sie hatte ein wunderbares malvenfarbenes Kleid mit Schleifen aus perlgrauem Band an und hielt sich in einem Boudoir auf, in dem sie die in die Provinz verbannte Pariserin spielte.
    »Wie gut Sie getan haben, auf mich zu rechnen!« sagte sie und drückte Marthe die Hände. »Wer soll denn diesen armen Mädchen zu Hilfe kommen, wenn nicht wir, die man beschuldigt, ihnen das schlechte Beispiel des Luxus zu geben … Und dann ist es abscheulich, daran zu denken, daß die Kinder all diesen häßlichen Sachen ausgesetzt sind. Ich bin krank geworden davon … Verfügen Sie ganz über mich.«
    Und als Marthe ihr mitgeteilt hatte, daß ihre Mutter dem Komitee nicht angehören könne, ließ sie ihren guten Willen doppelt so stark werden.
    »Es ist sehr ärgerlich, daß sie so viele Beschäftigungen hat«, begann sie mit einem Anflug von Ironie wieder. »Sie wäre uns eine große Hilfe gewesen … Aber das ist nun mal nicht anders. Wir werden tun, was wir können. Ich habe einige Freunde. Ich werde Monsignore besuchen; ich werde, wenn es sein muß, Himmel und Hölle in Bewegung setzen … Wir werden Erfolg haben, ich verspreche es Ihnen.« Sie wollte keinerlei Einzelheiten über Bewirtschaftung und Ausgaben hören. Man würde das nötige Geld immer auftreiben. Sie meinte, die Stiftung mache dem Komitee Ehre, alles müsse dort schön und behaglich sein. Sie fügte lachend hinzu, daß sie inmitten der Zahlen den Kopf verliere, daß sie besonders die ersten Schritte, die allgemeine Leitung des Vorhabens übernehmen wolle. Die liebe Madame Mouret sei es nicht gewohnt zu bitten; sie werde sie auf diesen Gängen begleiten, sie könne ihr sogar welche abnehmen. Nach Verlauf einer Viertelstunde war die Stiftung ihre eigene Sache, und sie erteilte Marthe Anweisungen. Diese war im Begriff, sich zurückzuziehen, als Herr de Condamin eintrat; sie blieb also noch einen Augenblick, war etwas verlegen, und in Gegenwart

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