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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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spüre, daß ich Ihnen durch meinen Mann sehr nützlich sein kann, den seine Amtsgeschäfte als Bürgermeister in ständige Verbindung mit allen einflußreichen Leuten bringen. Nur bitte ich Sie um Aufschub bis morgen, um Ihnen eine endgültige Antwort zu geben. Unsere Stellung verpflichtet uns zu viel Vorsicht, und ich will meinen Mann zu Rate ziehen.«
    In Frau Rastoil fand Marthe eine ebensowenig energische Frau, die sehr zimperlich war und nach unverfänglichen Worten suchte, um von den Unglücklichen zu sprechen, die ihre Pflichten vergessen. Sie war fett und stickte, zwischen ihren beiden Töchtern sitzend, eben an einem kostbaren Chorhemd. Gleich bei den ersten Worten hatte sie die Töchter hinausgeschickt.
    »Ich danke Ihnen, daß Sie an mich gedacht haben«, sagte sie, »aber ich bin wahrhaftig in großer Verlegenheit. Ich gehöre bereits mehreren Komitees an, ich weiß nicht, ob ich die Zeit hätte … Ich hatte denselben Gedanken wie Sie gehabt; nur war mein Vorhaben weitreichender, vollständiger vielleicht. Seit einem reichlichen Monat nehme ich mir vor, darüber mit Monsignore zu sprechen, ohne jemals eine freie Minute zu finden. Kurzum, wir werden unsere Bemühungen vereinen können. Ich werde Ihnen sagen, in welcher Weise ich die Dinge sehe, denn ich glaube, Sie sind in vielen Punkten im Irrtum … Da es ja sein muß, werde ich mich noch aufopfern. Mein Mann sagte gestern zu mir: ›Für Ihre Angelegenheiten sind Sie überhaupt nicht mehr da, Sie sind nur für die Angelegenheiten anderer da.‹«
    Marthe blickte sie neugierig an, während sie an ihr früheres Verhältnis mit Herrn Delangre dachte, über das man in den Cafés am Cours Sauvaire noch immer schallend lachte. Die Frau des Bürgermeisters und die Frau des Präsidenten hatten den Namen Abbé Faujas˜ mit großer Vorsicht aufgenommen, vor allem die zweite. Marthe hatte sich sogar ein bißchen geärgert über dieses Mißtrauen jemandem gegenüber, für den sie bürgte; daher hatte sie auf die guten Eigenschaften des Abbé gepocht, was die beiden Damen genötigt hatte, die Verdienste dieses Priesters zuzugeben, der in der Zurückgezogenheit lebte und für seine Mutter sorgte.
    Als Marthe von Frau Rastoil herauskam, brauchte sie nur den Fahrdamm zu überqueren, um sich zu Frau Paloque zu begeben, die auf der anderen Seite der Rue Balande wohnte. Es war sieben Uhr; aber sie wünschte sich dieses letzten Ganges zu entledigen, wobei sie die Unannehmlichkeit in Kauf nahm, Mouret warten zu lassen und von ihm ausgescholten zu werden. Die Paloques waren im Begriff, sich zu Tisch zu setzen in einem kalten Wohnzimmer, in dem man die provinzielle Geldknappheit, eine saubere, sorgfältig verborgene Geldknappheit spürte. Frau Paloque beeilte sich, die Suppe zuzudecken, die sie gerade auftrug, und war verärgert darüber, so bei Tisch angetroffen zu werden. Sie war sehr höflich, fast demütig und im Grunde beunruhigt über einen Besuch, den sie kaum erwartete. Ihr Mann, der Richter, blieb vor seinem leeren Teller sitzen und hielt die Hände auf den Knien.
    »Kleine Bösewichter!« rief er, als Marthe von den Mädchen aus der Altstadt gesprochen hatte. »Ich habe heute im Gericht hübsche Einzelheiten erfahren. Die sind˜s gewesen, die sehr ehrenwerte Leute zur Unzucht herausgefordert haben … Sie haben unrecht, Madame, sich um dieses Geschmeiß zu kümmern.«
    »Übrigens«, sagte Frau Paloque nun ihrerseits, »habe ich große Angst, Ihnen von keinerlei Nutzen zu sein. Ich kenne niemanden. Mein Mann würde sich lieber eine Hand abhacken lassen als das Geringste zu erbitten. Wir haben uns abseits gehalten, aus Ekel vor all den Ungerechtigkeiten, die wir gesehen haben. Wir leben hier bescheiden und sind sehr glücklich darüber, daß man uns vergißt … Sehen Sie, man könnte meinem Mann eine Beförderung anbieten, er würde jetzt ablehnen. Nicht wahr, mein Freund?«
    Der Richter nickte beipflichtend. Beide tauschten ein dünnes Lächeln, und Marthe geriet in Verlegenheit gegenüber diesen beiden abscheulichen, narbigen, gallefahlen Gesichtern, die sich in dieser Komödie verlogenen Verzichts so gut verstanden. Glücklicherweise erinnerte sie sich an die Ratschläge ihrer Mutter.
    »Ich hatte allerdings auf Sie gerechnet«, sagte sie und gab sich sehr liebenswürdig. »All diese Damen werden mit dabeisein, Madame Delangre, Madame Rastoil, Madame de Condamin; aber, unter uns gesagt, diese Damen werden kaum mehr als ihre Namen hergeben. Ich hätte gern

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