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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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des Oberforstmeisters, der, wie es hieß, in der Affäre dieser armen Mädchen, deren Schande die Stadt beschäftigte, kompromittiert worden war, wagte sie nicht mehr, vom Zweck ihres Besuches zu sprechen.
    Frau de Condamin setzte ihrem Gatten, der sich untadelig zeigte mit seiner Gelassenheit und seinen guten Gefühlen, den großartigen Gedanken auseinander. Er fand das Ganze übertrieben moralisch.
    »Das ist eine Idee, die nur einer Mutter kommen konnte«, sagte er ernst, ohne daß es möglich war zu erraten, ob er sich nicht lustig machte. »Plassans wird Ihnen gute Sitten verdanken, Madame.«
    »Ich gestehe Ihnen, daß ich den Gedanken lediglich aufgegriffen habe«, antwortete Marthe, die durch diese Lobsprüche in Verlegenheit gebracht war. »Er ist mir von jemand eingegeben worden, den ich sehr schätze.«
    »Von wem?« fragte Frau de Condamin neugierig.
    »Von Herrn Abbé Faujas.« Und Marthe erzählte mit großer Einfalt alles Gute, was sie von dem Priester dachte. Im übrigen machte sie keinerlei Anspielungen auf die bösartigen Gerüchte, die umgegangen waren; sie stellte ihn als einen aller Hochachtung würdigen Mann hin, und sie sei glücklich, ihm das Haus geöffnet zu haben.
    Frau de Condamin hörte zu, wobei sie leicht mit dem Kopf nickte.
    »Ich habe es immer gesagt«, rief sie, »Abbé Faujas ist ein ganz ausgezeichneter Priester … Wenn Sie wüßten, was für schlechte Leute es gibt! Aber seit Sie ihn empfangen, wagt man nicht mehr zu reden. Das hat all diesen boshaften Vermutungen rasch ein Ende gemacht … Sie sagen also, daß der Gedanke von ihm stammt? Man muß ihn bewegen, mehr in den Vordergrund zu treten. Abgemacht, daß wir bis dahin verschwiegen sind … Ich versichere Ihnen, ich habe ihn immer gemocht und in Schutz genommen, diesen Priester …«
    »Ich habe mit ihm gesprochen, er schien mir durchaus gutmütig zu sein«, unterbrach der Oberforstmeister.
    Aber seine Frau hieß ihn mit einer Handbewegung schweigen; oft behandelte sie ihn wie einen Diener. In der verdächtigen Ehe, die man Herrn de Condamin vorwarf, war es dahin gekommen, daß er allein die Schande trug; die junge Frau, die er Gott weiß woher mitgebracht hatte, hatte es mit feinem Anstand, liebenswürdiger Schönheit, wofür die Provinzler empfänglicher sind, als man denkt, zuwege gebracht, daß die ganze Stadt ihr verzieh und sie liebte. Er begriff, daß er bei dieser tugendhaften Unterredung überflüssig war.
    »Ich lasse Sie mit dem lieben Gott allein«, sagte er mit leicht ironischer Miene. »Ich werde eine Zigarre rauchen … Octavie, vergiß nicht, dich rechtzeitig anzuziehen; wir gehen heute Abend zur Unterpräfektur.«
    Als er nicht mehr da war, plauderten die beiden Frauen noch eine Weile, kamen auf das zurück, was sie bereits gesagt hatten, waren zu Mitleid gerührt über die armen Mädchen, mit denen es eine Wendung zum Schlechten nahm, ereiferten sich mehr und mehr, sie vor allen Verführungen in Sicherheit zu bringen. Frau de Condamin sprach sehr beredt gegen die Unzucht.
    »Also gut, abgemacht!« sagte sie, während sie Marthe ein letztes Mal die Hand drückte. »Beim ersten Aufruf stehe ich zu Ihren Diensten … Wenn Sie Madame Rastoil und Madame Delangre besuchen, sagen Sie ihnen, daß ich alles auf mich nähme; sie brauchen uns nur ihre Namen beizubringen … Mein Gedanke ist gut, nicht wahr? Wir werden keinen Strich davon abweichen … Grüßen Sie Abbé Faujas von mir.«
    Marthe begab sich unverzüglich zu Frau Delangre, dann zu Frau Rastoil. Sie fand sie beide höflich, aber kühler als Frau de Condamin. Beide erörterten die geldliche Seite des Vorhabens; man brauche viel Geld, nie würde die Mildtätigkeit der Öffentlichkeit die notwendigen Summen aufbringen, man laufe Gefahr, daß das zu einem lächerlichen Ausgang führe. Marthe beruhigte sie, nannte ihnen Zahlen. Nun wollten sie wissen, welche Damen bereits eingewilligt hätten, dem Komitee anzugehören. Der Name von Frau de Condamin ließ sie stumm. Als sie dann erfuhren, daß Frau Rougon sich entschuldigt habe, gaben sie sich liebenswürdiger.
    Frau Delangre hatte Marthe im Arbeitszimmer ihres Mannes empfangen. Sie war eine kleine blasse Frau mit der Sanftmut eines Dienstmädchens, deren wüstes Leben in Plassans allbekannt geblieben war.
    »Mein Gott«, flüsterte sie schließlich, »ich wünsche nichts sehnlicher. Das wäre eine Tugendschule für die Arbeiterjugend. Man würde viele schwache Seelen retten. Ich kann nicht ablehnen, denn ich

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