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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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einiges Geld zusammengebracht hat und weiterhin dann und wann einen guten Wurf macht, wobei er sich nicht um die Redereien schert … Man zieht ihn auch meinetwegen auf. Man sagt, er sei geizig, er halte mich zu Hause fest, er verweigere mir selbst die Halbstiefel. Das ist nicht wahr. Ich bin völlig frei. Zweifellos ist es ihm lieber, mich hier anzutreffen, wenn er nach Hause kommt, statt mich ständig auf den Straßen zu wissen, beim Spazierengehen oder beim Besuchemachen. Übrigens kennt er meine Neigungen. Was sollte ich draußen suchen?«
    Wenn sie Mouret gegen die Rederei von Plassans in Schutz nahm, legte sie eine plötzliche Lebhaftigkeit in ihre Worte, als habe sie das Bedürfnis, ihn gleichfalls gegen geheime Anschuldigungen in Schutz zu nehmen, die aus ihr selbst aufstiegen; und sie kam mit einer nervösen Unruhe auf dieses Leben draußen zurück. Von der Angst vor dem Unbekannten erfaßt, an ihren Kräften zweifelnd, irgendein Verhängnis befürchtend, schien sie sich in das enge Wohnzimmer, in den alten Garten mit den hohen Buchsbaumbüschen zu flüchten. Darauf lächelte sie über dieses kindliche Entsetzen; sie zuckte die Achseln, fing langsam wieder an, ihren Strumpf zu stricken oder irgendein altes Hemd auszubessern. Dann hatte Abbé Faujas nur noch eine kühle Bürgersfrau mit ruhiger Gesichtsfarbe und blassen Augen vor sich, die den Duft frischer Wäsche und eines im Schatten gepflückten Straußes in das Haus brachte.
    So vergingen zwei Monate. Abbé Faujas und seine Mutter waren in die Gewohnheiten der Mourets eingegangen. Am Abend hatte jeder seinen bestimmten Platz am Tisch; die Lampe stand auf dem gleichen Fleck, die gleichen Worte der Spieler fielen in die gleiche Stille, in die gleichen gedämpften Reden des Priesters und Marthes. Wenn Frau Faujas Mouret nicht zu rücksichtslos geschlagen hatte, fand er, seine Mieter seien sehr anständige Leute.
    All seine Neugier, die Neugier eines unbeschäftigten Spießbürgers, hatte sich in der Sorge um die abendlichen Partien gelegt; er lauerte dem Abbé nicht mehr auf, sagte, er kenne ihn jetzt gut, er halte ihn für einen rechtschaffenen Menschen.
    »Ach! Lassen Sie mich doch in Ruhe«, schrie er die an, die Abbé Faujas in seiner Gegenwart angriffen. »Sie machen einen Haufen Geschichten, Sie suchen sonstwas, wo es so leicht ist, die Dinge einfach zu erklären … Zum Teufel! Ich weiß es ganz genau. Er erweist mir die Freundschaft, alle Abende mit uns zu verbringen … Oh! Er ist kein Mann, der überall verkehrt; ich verstehe, daß man ihm das übelnimmt und ihn bezichtigt, stolz zu sein.«
    Mouret genoß es, der einzige in Plassans zu sein, der sich rühmen konnte, Abbé Faujas zu kennen; er mißbrauchte diesen Vorteil sogar ein bißchen. Jedesmal wenn er Frau Rougon traf, triumphierte er, gab er ihr zu verstehen, daß er ihr ihren Gast gestohlen habe. Diese begnügte sich damit, schlau zu lächeln. Bei seinen engeren Freunden ging Mouret weiter mit den vertraulichen Mitteilungen: Er flüsterte, daß diese verteufelten Priester nichts in der gleichen Weise wie andere Menschen machen könnten; dann erzählte er kleine Einzelheiten, die Art, wie der Abbé trank, wie er zu Frauen sprach, wie er die Knie auseinanderspreizte, ohne jemals die Beine übereinanderzuschlagen; unbedeutende Geschichtchen, in die er seine Bestürzung hineinlegte, die unruhige Bestürzung eines Freidenkers gegenüber dieser geheimnisvollen Soutane, die seinem Mieter bis zu den Fersen herabreichte.
    Die Abende folgten aufeinander, man war in den ersten Februartagen angelangt. In ihren Zwiegesprächen schien Abbé Faujas sorgfältig zu vermeiden, mit Marthe über Religion zu reden. Sie hatte ihm einmal fast fröhlich gesagt:
    »Nein, Herr Abbé, ich bin nicht fromm, ich gehe nicht oft zur Kirche … Das ist nun mal so! In Marseille war ich immer sehr beschäftigt; jetzt bin ich zu träge, um auszugehen. Außerdem, ich muß Ihnen das gestehen, bin ich nicht in religiösen Vorstellungen erzogen worden. Meine Mutter sagte, der liebe Gott würde schon zu uns kommen.«
    Ohne zu antworten, hatte sich der Priester verneigt, wollte dadurch zu verstehen geben, daß er es unter solchen Umständen vorzöge, nicht über diese Dinge zu sprechen. Eines Abends entwarf er indessen das Bild der unerwarteten Hilfe, welche leidende Seelen in der Religion finden. Es war von einer armen Frau die Rede, die allerlei Schicksalsschläge zum Selbstmord gebracht hatten.
    »Es war nicht recht von ihr, zu

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