Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
Heiligkeit.«
    Abbé Faujas machte eine jähe Gebärde. In einer kurzen Aufwallung von Ungeduld legte er die Karten auf den Tisch.
    »Ach was!« sagte er. »Vergessen Sie, daß Verleumdungen über mich im Umlauf sind und daß ich mit einer durchlöcherten Soutane in Plassans angekommen bin! Wenn man einen verlorenen Mann auf einen gefährlichen Posten schickt, verleugnet man ihn bis zum Tag des Triumphs … Verhelfen Sie mir zum Erfolg, Monsignore, Sie werden sehen, daß ich Freunde in Paris habe.« Als der Bischof, von dieser tatkräftigen Abenteurergestalt überrascht, die sich eben vor ihm aufgerichtet hatte, ihn darauf weiterhin schweigend ansah, wurde Faujas wieder geschmeidig und fuhr fort: »Das sind Unterstellungen, ich will sagen, daß ich mir vieles verzeihen lassen muß. Um Ihnen zu danken, erwarten meine Freunde, daß meine Stellung völlig gesichert ist.«
    Monsignore Rousselot blieb noch einen Augenblick stumm. Er war eine sehr feinfühlige Natur und hatte die menschliche Unvollkommenheit aus den Büchern erfahren. Er war sich seiner großen Schwäche bewußt, er schämte sich ihrer sogar ein bißchen; aber er tröstete sich damit, die Menschen nach dem zu beurteilen, was sie wert waren. Als gebildeter Epikureer hatte er in seinem Leben zuweilen tiefen Spott über die Ehrgeizlinge empfunden, die um ihn herum waren und sich um die Fetzen seiner Macht stritten.
    »Wahrhaftig«, sagte er lächelnd, »Sie sind sehr zäh, lieber Herr Faujas. Da ich Ihnen ein Versprechen gegeben habe, werde ich es halten … Vor sechs Monaten, ich gestehe es, hätte ich befürchtet, ganz Plassans gegen mich aufzubringen; aber Sie haben es verstanden, sich beliebt zu machen, die Damen der Stadt sprechen oft zu mir mit großem Lob von Ihnen. Indem ich Ihnen die Pfarrstelle von SaintSaturnin gebe, trage ich die Schuld für das Marienwerk ab.« Der Bischof hatte seine zum Scherzen geneigte Liebenswürdigkeit, das auserlesene Benehmen eines bezaubernden Kirchenfürsten wiedergefunden.
    In diesem Augenblick steckte Abbé Surin seinen hübschen Kopf durch den Türspalt.
    »Nein, nein, mein Sohn«, sagte der Bischof, »ich diktiere Ihnen diesen Brief nicht … Ich brauche Sie nicht mehr. Sie können sich zurückziehen«
    »Herr Abbé Fenil ist da«, flüsterte der junge Priester.
    »Ah! Gut, mag er warten.« Monsignore Rousselot fuhr leicht zusammen; aber er machte eine entschiedene, fast drollige Handbewegung, er sah Abbé Faujas mit einem Ausdruck geheimen Einverständnisses an. »Warten Sie, gehen Sie hier hinaus«, sagte er zu ihm und öffnete eine hinter einem Vorhang verborgene Tür. Er hielt ihn auf der Schwelle zurück und sah ihn weiterhin lachend an. »Fenil wird wütend sein … Versprechen Sie mir, mich gegen ihn zu verteidigen, wenn er zu sehr schreit? Ich lade ihn Ihnen auf den Hals, ich warne Sie. Ich rechne auch sehr damit, daß Sie Marquis de Lagrifoul nicht wiederwählen lassen … Gewiß! Ich stütze mich jetzt auf Sie, lieber Herr Faujas.« Er grüßte ihn mit einer leisen Bewegung seiner weißen Hand, trat dann lässig in die laue Wärme seines Arbeitszimmers zurück.
    Der Abbé war gebeugt stehengeblieben, überrascht von der durch und durch weiblichen Leichtigkeit, mit der Monsignore Rousselot den Herrn wechselte und sich dem Stärkeren auslieferte. Erst jetzt fühlte er, daß sich der Bischof eben über ihn lustig gemacht hatte, wie er sich von dem weichen Sessel aus, in dem er Horaz24 übersetzte, über Abbé Fenil lustig machen mochte.
    Als sich am folgenden Donnerstag gegen zehn Uhr die vornehme Gesellschaft von Plassans im grünen Salon der Rougons schier zerdrückte, erschien Abbé Faujas auf der Schwelle. Er sah prächtig, groß, rosig aus, trug eine feine Soutane, die wie Atlas schimmerte. Er blieb ernst, hatte ein leichtes Lächeln, kaum eine liebenswürdige Falte um die Lippen, gerade soviel, wie er brauchte, um sein strenges Gesicht durch einen Strahl Biederkeit zu erhellen.
    »Ah! Da ist der liebe Herr Pfarrer!« rief Frau de Condamin fröhlich.
    Aber die Hausherrin stürzte vor; sie nahm eine Hand des Abbés in ihre beiden Hände, führte ihn mitten in den Salon, liebkoste ihn unter einem sanften Wiegen des Kopfes mit dem Blick.
    »Was für eine Überraschung, was für eine angenehme Überraschung!« sagte sie mehrmals. »Man hat Sie ja ein Jahrhundert nicht mehr gesehen. Es muß Ihnen also das Glück ins Haus fallen, damit Sie sich Ihrer Freunde erinnern?«
    Er grüßte ungezwungen. Rings um ihn

Weitere Kostenlose Bücher