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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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erschlagen …‹ Ach! Der arme Compan, er, den ich so stolz, so tatkräftig in SaintSaturnin gesehen habe! – Der kleine Eusèbe, der Chorknabe, den ich mitgenommen habe, um beim Viaticum22 zu klingeln, ist ganz verwirrt gewesen, als er gesehen hat, wo wir hingingen; bei jedem Glöckchenklang blickte er hinter sich, als ob er Angst gehabt hätte, Fenil könnte ihn hören.«
    Abbé Faujas, der mit gesenktem Haupt und besorgter Miene rasch ausschritt, wahrte weiterhin Schweigen, er schien seinem Begleiter nicht zuzuhören.
    »Ist Monsignore verständigt?« fragte er plötzlich.
    Aber nun wirkte Abbé Bourrette seinerseits versonnen. Er antwortete nicht; als sie vor Abbé Compans Tür anlangten, raunte er Faujas zu:
    »Sagen Sie ihm, wir seien eben Fenil begegnet und er habe uns gegrüßt. Das wird ihm Freude machen … Er wird glauben, ich sei doch Pfarrer von SaintSaturnin geworden.«
    Sie gingen schweigend hinauf. Die Schwester des Sterbenden öffnete ihnen. Als sie die beiden Priester sah, brach sie in Schluchzen aus und stammelte unter Tränen:
    »Es ist alles vorbei. Gerade ist er in meinen Armen hinübergegangen … Ich war allein. Beim Sterben hat er um sich geschaut, und er hat geflüstert: ›Ich habe also die Pest, daß man mich im Stich gelassen hat …‹ Ach, meine Herren! Er ist mit Tränen in den Augen gestorben.«
    Sie traten in das kleine Gemach, in dem Pfarrer Compan mit dem Kopf auf einem Kissen zu schlafen schien. Seine Augen waren offen geblieben, und dieses weiße, tieftraurige Gesicht weinte noch immer; die Tränen liefen die Wangen entlang. Da fiel Abbé Bourrette auf die Knie, schluchzte, betete, die Stirn an die herabhängenden Decken gelegt. Abbé Faujas blieb stehen und betrachtete den armen Toten; nachdem er einen Augenblick niedergekniet war, ging er taktvoll hinaus. Verloren in seinem Schmerz, hörte Abbé Bourrette nicht einmal, wie er die Tür wieder schloß.
    Abbé Faujas ging geradeswegs zur bischöflichen Residenz. Im Vorzimmer Monsignore Rousselots traf er Abbé Surin, der mit Papieren beladen war.
    »Wünschten Sie Monsignore zu sprechen?« fragte der Sekretär mit seinem ewigen Lächeln. »Sie würden es schlecht treffen. Monsignore ist derart beschäftigt, daß er für niemand zu sprechen ist.«
    »Es ist wegen einer sehr eiligen Angelegenheit«, sagte Abbé Faujas gelassen. »Man kann ihn immerhin benachrichtigen, ihn wissen lassen, daß ich da bin. Ich werde warten, wenn es sein muß.«
    »Ich fürchte, es ist zwecklos. Monsignore hat mehrere Personen bei sich. Kommen Sie morgen wieder, das ist besser.«
    Aber der Abbé nahm einen Stuhl; da öffnete der Bischof die Tür seines Arbeitszimmers. Er schien sehr verärgert, als er den Besucher erblickte, und tat zuerst so, als erkenne er ihn nicht.
    »Mein Sohn«, sagte er zu Surin, »kommen Sie gleich zurück, wenn Sie diese Papiere eingeordnet haben; ich muß Ihnen einen Brief diktieren.« Sich zu dem Priester umwendend, der ehrerbietig stehenblieb, sagte er: »Ah! Sie sind es, Herr Faujas? Es ist mir eine große Freude, Sie zu sehen … Sie haben mir vielleicht etwas zu sagen? Kommen Sie herein, kommen Sie in mein Arbeitszimmer; sie stören mich nie.«
    Monsignore Rousselots Arbeitszimmer war ein großer, etwas düsterer Raum, in dem Sommer wie Winter ständig ein großes Holzfeuer brannte. Der Teppich, die sehr dicken Vorhänge machten die Luft stickig. Es war, als gehe man in lauwarmes Wasser. Fröstelnd lebte der Bischof dort in einem Sessel wie eine Witwe von Stande, die sich von der Gesellschaft zurückgezogen hat, empfand Abscheu vor Lärm und überließ Abbé Fenil die Sorge um die Diözese. Er schwärmte für die klassischen Literaturen. Es wurde erzählt, er übersetze heimlich Horaz; die Verschen der Griechischen Anthologie23 begeisterten ihn ebenfalls, und es entschlüpften ihm anstößige Zitate, die er mit der Unbefangenheit des Gebildeten genoß, der für das Schamgefühl des gemeinen Volkes kein Empfinden hat.
    »Sie sehen, ich habe niemand bei mir«, sagte er und ließ sich vor dem Feuer nieder, »aber ich bin ein bißchen leidend, ich hatte niemand vorgelassen. Sie können sprechen, ich stelle mich zu Ihrer Verfügung.« In seiner üblichen Liebenswürdigkeit lag eine unbestimmte Unruhe, eine Art resignierter Unterwerfung. Als Abbé Faujas ihm den Tod Pfarrer Compans mitgeteilt hatte, erhob er sich bestürzt und erzürnt. »Wie!« rief er. »Mein braver Compan ist tot, und ich habe nicht von ihm Abschied nehmen

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