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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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über das Glück, das Ihnen widerfährt«, sagte sie mit tiefbewegter Stimme zu ihm. »Seien Sie heute gütig, gewahren Sie mir die Gnade, die Sie mir bis jetzt verweigert haben. Ich versichere Ihnen, Abbé Bourrette versteht mich nicht. Sie allein können mich lenken und retten.« Er schob sie mit einer Handbewegung beiseite.
    Als er die Tur geöffnet und die kleine Lampe angezündet hatte, die Rose am Fuß der Treppe stehenzulassen pflegte, ging er hinauf, während er leise zu ihr sagte:
    »Sie haben mir versprochen, vernünftig zu sein … Ich werde über Ihre Bitte nachdenken. Wir sprechen noch darüber.«
    Sie hätte ihm am liebsten die Hände geküßt. Sie ging erst in ihr Zimmer, als sie gehört hatte, wie er im oberen Stockwerk seine Tür schloß. Und während sie sich auszog und ins Bett legte, hörte sie dem halb eingeschlafenen Mouret nicht zu, der ihr des langen und breiten die Klatschereien erzählte, die in der Stadt umliefen. Er war in seinen Klub gegangen, den Handelsklub, den er selten betrat.
    »Abbé Faujas hat Abbé Bourrette eingewickelt«, wiederholte er zum zehntenmal und rollte langsam den Kopf auf dem Kissen hin und her. »Was für ein armer Mann, dieser Abbé Bourrette! Tut nichts, es ist spaßig zu sehen, wie sich die Pfaffen untereinander auffressen. Neulich, du erinnerst dich, als sie sich hinten im Garten umarmten, hätte man sie da nicht für zwei Brüder gehalten? Ach! Jawohl, sie stehlen sich sogar gegenseitig ihre Beichtkinder … Warum antwortest du nicht, meine Gute? Du denkst, das stimmt nicht? – Nein, du schläfst, nicht wahr? Also gute Nacht, bis morgen.« Satzfetzen brummelnd, schlief er wieder ein.
    Marthe schaute mit weit offenen Augen in die Luft, verfolgte an der durch das Nachtlicht erhellten Zimmerdecke das Schlürfen von Abbé Faujas˜ Pantoffeln, der sich zu Bett begab.
     

Kapitel XII
    Als der Sommer wiederkehrte, kamen der Abbé und seine Mutter wiederum jeden Abend herunter, um auf der Terrasse frische Luft zu schöpfen. Mouret wurde grämlich. Er lehnte die Pikettpartien ab, die die alte Dame ihm anbot; er blieb da und wiegte sich auf einem Stuhl hin und her. Wenn er gähnte, ohne daß er auch nur versuchte, seine Langeweile zu verbergen, sagte Marthe zu ihm:
    »Mein Freund, warum gehst du nicht in deinen Klub?« Er ging öfter in seinen Klub. Wenn er nach Hause zurückkam, traf er seine Frau und den Abbé auf derselben Stelle auf der Terrasse wieder an, während einige Schritte entfernt Frau Faujas noch immer ihre Haltung einer stummen und blinden Wächterin innehatte.
    Wenn man mit Mouret in der Stadt über den neuen Pfarrer sprach, lobte er ihn weiterhin in höchsten Tönen. Das sei bestimmt ein hervorragender Mann. Er, Mouret, habe nie an seinen ausgezeichneten Fähigkeiten gezweifelt. Nie vermochte ihm Frau Paloque ein bitteres Wort zu entlocken, trotz der Bosheit, die sie dareinsetzte, ihn mitten in einem Satz über Abbé Faujas nach dem Befinden seiner Frau zu fragen. Der alten Frau Rougon gelang es nicht besser, ihm den geheimen Kummer anzumerken, den sie unter seiner Biederkeit zu erraten glaubte; sie sah ihn scharf an und lächelte schlau, stellte ihm Fallen; aber dieser unverbesserliche Schwätzer, dessen Zunge die ganze Stadt durchhechelte, wurde nun, da es sich um Angelegenheiten seiner Familie handelte, von Scham erfaßt.
    »Dein Mann ist also endlich vernünftig geworden?« fragte Félicité eines Tages ihre Tochter. »Er läßt dir freie Hand.«
    Marthe sah sie mit überraschter Miene an.
    »Ich habe immer freie Hand gehabt«, sagte sie.
    »Liebes Kind, du willst ihn nicht beschuldigen … Du hattest mir doch gesagt, daß er Abbé Faujas mit bösem Blick ansieht.«
    »Aber nein, versichere ich Ihnen. Im Gegenteil, Sie hatten sich das eingebildet … Mein Mann steht sich mit Herrn Abbé Faujas vortrefflich. Sie haben keinerlei Grund, sich schlecht miteinander zu stehen.«
    Marthe wunderte sich über die Hartnäckigkeit, mit der alle Welt wollte, daß ihr Mann und der Abbé keine guten Freunde seien. Im Komitee des Marienwerkes stellten ihr die Damen oft Fragen, die sie ungeduldig machten. Die Wahrheit war, daß sie sich sehr glücklich, sehr ruhig fühlte; niemals war ihr das Haus in der Rue Balande anheimelnder vorgekommen. Seit Abbé Faujas ihr zu verstehen gegeben hatte, daß er die Verantwortung für ihr Gewissen übernehmen werde, wenn er zu der Ansicht komme, Abbé Bourrette reiche nicht mehr aus, lebte sie in dieser Hoffnung mit den

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