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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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erhob sie sich und ging ins Freie, um frische Luft einzuatmen, die Sterne zu betrachten und an ihre Babys zu denken, die im Himmel wohnten. Würde sich ihr ungeborenes Kind zu ihnen gesellen? Ständig schöpfte sie Hoffnung, weil es sich viel lebhafter bewegte als die anderen. Vielleicht, weil Edward sie nicht mehr schlug, weil sie mit François wunschlos glücklich war … Er sorgte so gut für sie und rieb ihren gewölbten Bauch so oft es ging mit Öl ein, wie es ihm die Irokesinnen gezeigt hatten. Dauernd brachte er ihr neue Arzneien, die sie stärken sollten. Doch sie fürchtete, nicht einmal das würde ihr Baby retten.
    Der August ging in den September über. Vor genau zwei Jahren war sie an Bord der
Concord
gegangen. Unaufhaltsam näherte sich die schwere Stunde, und Sarah versuchte ihr wachsendes Grauen vor dem Mann zu verbergen, den sie ihren Gemahl nannte.
    Eines Tages, nachdem sie stundenlang Mais für den Winter geerntet hatte, bat sie François, er möge sie zum Wasserfall begleiten.
    »Wird dich das nicht zu sehr anstrengen?«, fragte er sanft. Falls ihre Berechnungen stimmten und das Baby tatsächlich in der ersten Liebesnacht gezeugt worden war, müsste es nun jeden Tag zur Welt kommen. »Wollen wir nicht lieber hier bleiben und ein bisschen auf der Farm umherwandern?«
    Doch sie beharrte auf ihrer Absicht. »Ich vermisse das Wasser«, erklärte sie, und da gab er sich geschlagen. So behutsam wie nur möglich führte er sie zu ihrem Lieblingsplatz. Sie sah so strahlend und glücklich aus, dass er lächeln musste, obwohl ihm ihr übergroßer Bauch Sorgen bereitete. Er verbot sich die Frage, ob dies auch früher so gewesen sei, denn er mochte sie nicht an die Qualen der Vergangenheit erinnern. Wenn sie ihre Ängste auch verschwieg, er spürte, was sie bedrückte.
    Deshalb sprachen sie über alle möglichen anderen Dinge. Die Unruhen im Westen erwähnte er nicht. Nichts durfte sie aufregen. Er wählte lediglich erfreuliche Themen. Auf dem Rückweg pflückte er Wiesenblumen, und sie trug den Strauß in ihre Küche.
    Wie jeden Abend bereitete sie das Dinner zu. Plötzlich hörte er sie leise stöhnen. Er eilte aus dem Wohnzimmer zu ihr und erkannte sofort, was geschah - die Wehen begannen. Dass es so schnell dazu gekommen war, verblüffte ihn. Vielleicht - weil sie bereits ihr siebtes Kind gebar. Crying Sparrows Niederkunft war viel langsamer verlaufen - und wesentlich einfacher. Von ihrer Mutter und den Schwestern unterstützt, hatte sie nur ein einziges Mal geschrien. Danach war er in die Hütte geeilt, und da konnte er sich schon mit ihr über den neuen Erdenbürger freuen. Jetzt musterte er bestürzt Sarahs bleiches Gesicht.
    Auf einen Stuhl gestützt, würgte sie hervor: »Schon gut, mein Liebster …«
    Behutsam hob er sie hoch, trug sie ins Schlafzimmer und legte sie aufs Bett. Den Kochtopf hatte sie bereits vom Herd genommen. Das Dinner war vergessen. An diesem Abend mussten die beiden Jungen Obst und Gemüse aus dem Garten essen. Das würde ihnen nichts ausmachen.
    »Soll ich jemanden rufen?«, schlug François vor. Einige Siedlerinnen hatten ihre Hilfe angeboten. Aber Sarah wollte nur ihn in ihrer Nähe wissen, nicht einmal einen Arzt. In England hatte der Doktor ihre Babys nicht retten können. Und der Garnisonsarzt trank zu viel.
    »Nein«, erwiderte sie erwartungsgemäß, »bleib nur du bei mir …« Das Gesicht vor Schmerz und Panik verzerrt, klammerte sie sich an ihn. Dieses Baby war viel größer als die anderen. Also musste sie eine sehr schwierige Niederkunft befürchten.
    Das erwähnte sie nicht. Gepeinigt wand sie sich umher und bezwang ihr Schluchzen, während François ihre Hände festhielt und ihre Stirn mit feuchten Tüchern kühlte. Gegen Mitternacht begann sie zu pressen, doch er sah keine Fortschritte.
    Zwei Stunden später war sie völlig erschöpft, wurde jedoch gezwungen, unaufhörlich zu pressen. Gequält beobachtete François seine leidende Frau, fast ebenso müde wie sie, und fragte sich, wie er ihr helfen sollte. Bald vermochte sie ihre Schmerzensschreie nicht mehr zu unterdrücken, und er tröstete sie voller Mitgefühl. »Alles wird gut, mein Liebling, bald hast du's überstanden.«
    Beinahe weinte auch er. Jetzt versagte ihre Stimme. Sogar das Atmen fiel ihr schwer. Er konnte sie nur umarmen und beten und sich entsinnen, was die Indianerinnen ihm beigebracht hatten. Und dann erinnerte er sich an Crying Spar-rows Worte. Er zog Sarah vom Bett hoch, und sie verstand nicht,

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