Die Erscheinung
erklärt. Die kalte Luft und der Schnee in seinen Augen ernüchterten ihn. Was sollte er tun? Wohin würde er sich wenden? Wollte er wirklich Ski fahren - oder sollte er sofort nach London zurückfliegen? Und was dann? In einer Woche war Weihnachten, und wenn er die Feiertage in London verbrachte, wäre er todunglücklich, weil er unentwegt an Carole denken müsste. Sicher würde er den Wunsch verspüren, sie zu sehen oder wenigstens anzurufen, ein Geschenk zu kaufen, ihr persönlich zu überreichen. Allein schon der Gedanke beschwor den Herzenskummer wieder herauf. Nein, vorerst würde er nicht nach England fliegen.
Zum ersten Mal seit zehn Jahren würden sie das Weihnachtsfest getrennt verleben. Im Jahr vor der Hochzeit war Carole sogar nach London geflogen, um das Fest gemeinsam mit ihm zu genießen. Dieses Jahr würde sie mit Simon feiern.
Also entschied er sich für einen Skiurlaub. Sobald er in seinem Apartment eintraf, bestellte er telefonisch einen Mietwagen für den nächsten Tag. Zu seiner Verblüffung gab es keine Probleme, obwohl während der Feiertage alle Welt Autos mieten wollte, um Verwandte zu besuchen und Geschenke zu transportieren. Er mietete den Wagen für eine Woche und fragte nach Landkarten von Vermont, New Hampshire und Massachusetts. Am Ziel seiner Fahrt konnte er sich eine Skiausrüstung leihen. Während er auf der Couch saß und seine neue Situation überdachte, fühlte er sich wie ein kleiner Junge, der von zu Haus ausgerissen war. Soeben hatte er seine Karriere in ernsthafte Gefahr gebracht, und es störte ihn nicht im Mindesten. Verrückt… Würde er letzten Endes doch noch seinen Verstand verlieren nach dem Stress des vergangenen Jahres? Er überlegte, ob er Freunde in London anrufen und ihnen die Neuigkeiten mitteilen sollte. Aber mit fast allen hatte er den Kontakt verloren - nicht bereit, seine Verzweiflung mit irgendj emandem zu teilen. Die neugierigen Fragen, die Klatschgeschichten, sogar das Mitleid hätten ihn zermürbt. Es war leichter, den Kummer allein zu ertragen. Außerdem glaubte er, seine Freunde würden Carole und Simon ziemlich oft sehen. Und von den beiden wollte er nichts hören.
Was würde Carole sagen, wenn sie wüsste, dass er die Firma soeben für mehrere Monate verlassen hatte - möglicherweise für immer? Sicher wäre sie überrascht. Aber auch sie wollte er nicht informieren. Er war niemandem eine Erklärung schuldig, und das fand er großartig.
An diesem Abend packte er seine Reisetaschen, brachte das Apartment in Ordnung, und am nächsten Morgen um acht Uhr brach er auf. Er fuhr mit einem Taxi zur Autovermietung, und während er an den Kaufhäusern vorbeifuhr, sah er hell beleuchtete Weihnachtsauslagen. Jetzt war er froh, dass er die Stadt verließ. Es würde ihm schwer fallen, mit anzusehen, wie die Kollegen im Büro feierten, und zuzuhören, wenn sie von ihren Weihnachtsplänen und ihren Familien erzählten. Auf ihn wartete niemand. Ein Jahr zuvor war er verheiratet gewesen, der Besitzer eines Hauses und ein erfolgreicher Architekt. Das alles hatte er verloren. In seinem Leben gab es nur noch ein gemietetes Auto, zwei Reisetaschen und ein paar Landkarten von New England.
»Der Wagen hat Winterreifen«, erklärte ein Angestellter in der Autovermietung. »Aber wenn sie weiter nördlich fahren als bis Connecticut, sollten Sie Ketten anlegen. Verbringen Sie die Weihnachtstage in New England?«
Charlie nickte. »Wahrscheinlich werde ich Ski fahren.«
»Dieses Jahr gibt's da oben eine Menge Schnee. Brechen Sie sich bloß keine Knochen!« Der Mann wünschte ihm ein frohes Fest. Dann ging er davon.
Charlie hatte sich erkundigt, ob er den Mietwagen dann später in Boston zurückgeben könnte. Von dort würde er nach London fliegen. Letzten Endes war sein Heimweh doch stärker als alle Bedenken, die mit Carole und Simon zusammenhingen. Nach New York zog ihn nichts mehr. Vielleicht in sechs Monaten. Oder nie mehr.
Rasch belud er den weißen Kombi mit seinem Gepäck und fuhr los. In diesem Auto würde er seine Skier im Innenraum unterbringen können. Vorerst transportierte es nur seine beiden Reisetaschen und die Schneeketten. Charlie trug Blue Jeans, einen dicken Pullover und einen Parka. Lächelnd schaltete er die Heizung ein, dann das Radio und begann zu singen.
Bevor er den FDR Drive erreichte, hielt er an einer Raststätte, trank Kaffee und aß ein Stück Plundergebäck. Langsam nippte er an seiner Tasse, während er die Landkarten studierte. Bald
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