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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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Zweifel.
    Die Angestellte des Historischen Vereins schaute herüber und bemerkte seine Verblüffung. »Eine Verwandte?« Seine sichtliche Faszination erregte ihre Neugier. Außerdem meldete sich ihr Gewissen, weil sie ihn so schroff abgefertigt hatte. Aber außerhalb der Touristensaison kam kaum jemand in die Bibliothek des Historischen Vereins, und Francesca Vironnet hatte den Job einer Kuratorin und Bibliothekarin übernommen, weil sie hier nur wenig Kontakt mit Menschen bekommen würde und in Ruhe ihre Dissertation schreiben konnte. Während der letzten Jahre hatte sie in Frankreich und dann in Italien ein Kunstgeschichte- und Geschichtsstudium abgeschlossen. Sicher hätte sie eine Stellung als Lehrerin gefunden. Aber neuerdings zog sie die Bücher den Menschen vor. Sie arbeitete sehr gern für den Historischen Verein von Shelburne Falls, katalogisierte die Bücher, hielt sie in Ordnung und hütete die Antiquitäten des Museums, das im ersten Stock lag. All diese Schätze wurden nur im Sommer von Touristen besichtigt. Sobald sie die Frage ausgesprochen hatte, war sie wütend auf sich selbst und wich dem prüfenden Blick des Besuchers aus.
    »Nein, eine gute Freundin hat mir von Sarah und François erzählt. Die beiden müssen sehr interessante Persönlichkeiten gewesen sein«, fügte Charlie hinzu und ignorierte ihre distanzierte Miene.
    »Jedenfalls werden sie in zahlreichen Mythen und Legenden gepriesen«, erwiderte sie zögernd. Hoffentlich würde sie nicht allzu neugierig erscheinen. Der Mann wirkte intelligent und kultiviert, wie einige Europäer, die sie kennen gelernt hatte. Doch sie durfte sich ihre seltsame Faszination nicht anmerken lassen. »Vermutlich sind diese Geschichten nicht wahr. Im Lauf der letzten zwei Jahrhunderte wurden Sarah und François zu überlebensgroßen Gestalten hochstilisiert. Aber ich nehme an, sie waren ganz gewöhnliche Menschen - was sich allerdings nicht beweisen lässt.«
    Charlie fand diese nüchterne Charakterisierung deprimierend. Sollten die beiden normale Sterbliche gewesen sein? Undenkbar. Da zog er Gladys' Version von romantischer Leidenschaft vor, vom kühnen Entschluss, der Moral des Zeitgeistes um der Liebe willen zu trotzen. Warum war dieses Mädchen - paradoxerweise trotz ihrer missmutigen Ausstrahlung fast eine Schönheit - so negativ eingestellt?
    »Sonst noch was?«, fragte sie, als wäre Charlie ein notwendiges Übel. Zweifellos wünschte sie, er würde das Gespräch beenden und verschwinden. Prompt erklärte sie dann auch, bald würde sie die Bibliothek schließen.
    »Haben Sie keine anderen Informationsquellen?«, erkundigte er sich hartnäckig. Nur weil sie die Menschen hasste, würde er sich nicht hinauswerfen lassen. »Vielleicht werden Sarah und François in irgendwelchen alten Geschichtsbüchern erwähnt.« Inzwischen glaubte er sie richtig einzuschätzen. Sie liebte die Bibliothek und die Museumsstücke, weil ihr Bücher und Möbel niemals wehtun würden.
    »Da muss ich nachsehen«, erwiderte sie kühl. »Kann ich Sie unter einer Telefonnummer erreichen?«
    »Noch nicht. Nächste Woche bekomme ich ein Telefon. Dann rufe ich Sie an und frage, was Sie herausgefunden haben.« Warum er die nächsten Worte aussprach, wusste er nicht genau - vielleicht, um die junge Frau ein wenig aufzutauen, weil ihn ihre kaltschnäuzige Art irgendwie herausforderte. »Übrigens, soeben habe ich Sarahs und François' Haus gemietet.«
    »Meinen Sie das Château am Hügel?« Diesmal leuchteten ihre Augen ein wenig auf, aber nur für ein paar Sekunden.
    »Ja«, bestätigte er und beobachtete sie prüfend. Er hatte eine Tür geöffnet, einen winzigen Spaltbreit, und sie war sofort wieder zugeschlagen worden.
    »Haben Sie schon einen Geist gesehen?«, fragte sie sarkastisch. Sein Interesse an Sarah Ferguson und François de Pellerin amüsierte sie. Gewiss, eine hübsche Geschichte. Sie selbst hatte sich nie damit befasst.
    »Gibt's da einen Geist?«, konterte er in beiläufigem Ton. »Davon hat mir niemand erzählt.«
    »Keine Ahnung. Aber ich nehme es an. In diesem Teil der Welt gibt's kaum ein Haus, in dem es
nicht
spuken soll. Vielleicht werden Sie das Liebespaar eines Nachts sehen, in inniger Umarmung …« Darüber musste sie lachen. Doch das Gelächter verstummte sofort wieder, als Charlie sie anlächelte, und sie schaute rasch weg.
    »Wenn ich was sehe, rufe ich Sie an und gebe Ihnen Bescheid.« Aber das schien sie nicht mehr zu interessieren. Die Tür war nicht nur

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