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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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sie sich der Grausamkeit eines Mannes aussetzen. Zweifellos gab es auch freundliche und liebenswerte Ehemänner. Aber das Risiko war ihr einfach zu groß. Sie plante fest, ihr restliches Leben allein zu verbringen. Von diesem unabänderlichen Entschluss musste sie Lieutenant Parker und andere Bostoner Gentlemen erst noch überzeugen.
    »Sei doch froh, dass du so viele Verehrer hast, statt dich zu beklagen!«, schimpfte Belinda Blake eines Tages.
    »Aber ich brauche keine Verehrer - ich bin verheiratet!«, erwiderte Sarah gedankenlos. Dann verbesserte sie sich hastig: »Das heißt - ich
war
verheiratet. Also weiß ich Bescheid - und ich weigere mich, diesen ganzen Unsinn mitzumachen.«
    »Gewiss, nur in der Ehe liegt der wahre Segen - und die Schmeicheleien eines Bewerbers sind nur Brosamen, die von einer festlichen Tafel zu Boden fallen …« Es war völlig sinnlos, Belinda zu belehren, und Sarah gab es auf.
    Anfang Dezember lernte sie Amelia Stockbridge und bald darauf deren Ehemann kennen. Colonel Stockbridge kommandierte die Deerfield-Garnison und die Forts am Connecticut River. Fasziniert hörte Sarah zu, wenn er von seinen Aktivitäten erzählte. Sie interessierte sich besonders für die Indianerstämme. Zu ihrer Verblüffung versicherte der Colonel, die meisten seien friedlich. »Derzeit leben nur ein paar Nonotuck und Wampanoag in diesem Gebiet, und sie haben uns schon lange keine ernsthaften Schwierigkeiten mehr bereitet. Natürlich, hin und wieder gibt es Probleme - zu viel Feuerwasser oder Streitigkeiten um ein Stück Land.«
    Sarah gewann den Eindruck, er würde die Indianer mögen, und erklärte, man habe sie vor den Gefahren außerhalb der Stadt gewarnt.
    »Gewiss, man muss vorsichtig sein«, bestätigte er, erstaunt über ihr reges Interesse. »Im Frühling, wenn die Lachse springen, müssen wir uns mit den Irokesen auseinander setzen. Außerdem könnten Renegaten auftauchen, oder Mohawk-Krieger ziehen von Norden herunter. Die fallen manchmal über die weißen Siedler her.« Im Vorjahr hatten sie nördlich von Deerfield eine ganze Familie ermordet, ein Ehepaar und sieben Kinder. Doch das erwähnte der Colonel nicht. In letzter Zeit kam es nur selten zu so schrecklichen Zwischenfällen. »Die gefährlichsten Indianer leben im Westen. Und wenn wir auch fürchten, die Probleme mit den Shawnee und Miami könnten sich nach Osten ausbreiten -bis nach Massachusetts werden sie wohl kaum vordringen. Völlig ausschließen lässt sich das allerdings nicht. Im Westen beschwören diese Stämme gewaltigen Ärger herauf. Deshalb macht sich der Präsident große Sorgen. Er meint, wir hätten schon genug Geld für die Indianerkriege ausgegeben, und er bedauert, dass die Ureinwohner so viel Land verloren haben. Andererseits dürfen wir ihnen nicht erlauben, unablässig weiße Siedler niederzumetzeln. Momentan haben unsere Soldaten alle Hände voll zu tun.«
    Der Colonel verbrachte die Weihnachtstage in Boston. Hier besaß er ein schönes Haus, wo seine Frau sich meistens aufhielt.
    Sie hasste das Leben in der Deerfield-Garnison, und er besuchte sie so häufig wie möglich. Allzu oft geschah das jedoch nicht, denn der Ritt von Deerfield zur Ostküste dauerte etwa vier Tage. Die Stockbridges luden Sarah zu einer kleinen Weihnachtsparty ein. Daran nahmen auch einige Offiziere teil, die gerade in Boston ihren Urlaub verlebten. Amelia spielte am Pianoforte, und alle Gäste sangen Weihnachtslieder.
    Diesen Abend hätte Sarah unbeschwert genießen können, wäre nicht auch Lieutenant Parker eingeladen worden. Wie ein treues junges Hündchen folgte er ihr auf Schritt und Tritt, und sie tat ihr Bestes, um ihm aus dem Weg zu gehen. Sie unterhielt sich viel lieber mit dem Colonel. Glücklicherweise konnte sie am Ende der Party ein paar Minuten lang allein mit ihm sprechen, aber ihr Anliegen schockierte ihn.
    »Vielleicht wäre es möglich«, erwiderte er und runzelte die Stirn. »Die Reise ist ziemlich anstrengend. Vor allem um diese Jahreszeit, bei dichtem Schneefall. Allein dürfen Sie das nicht riskieren. Sie brauchen einen oder zwei Führer. Und Sie müssen mit vier bis fünf Tagen rechnen.« Mit einem wehmütigen Lächeln fügte er hinzu: »Das würde Amelia niemals auf sich nehmen. Ein paar jüngere Offiziere wohnen mit ihren Ehefrauen in der Garnison oder in der Nähe. Ringsum haben sich mehrere Siedler niedergelassen. Sie führen ein zivilisiertes, aber keineswegs komfortables Leben. Selbst wenn Sie nur einen kurzen Besuch

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