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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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in den Wintermonaten waren fast alle geschlossen, und die Einheimischen gingen während der kalten Jahreszeit nur zu besonderen Anlässen aus.
    »Offensichtlich muss ich wieder zu kochen anfangen«, seufzte Charlie. Mit einem jungenhaften Grinsen fügte er hinzu: »Morgen fahre ich noch mal in die Stadt und kaufe was Vernünftiges ein.« Nachdem sie ihre Waren bezahlt hatten, trug er Francescas drei Einkaufstüten zu ihrem Auto. Sie wären viel zu schwer für sie gewesen. Trotzdem nahm sie seine Hilfe nur widerwillig an. Als sie am Steuer saß, beugte er sich zum Fenster hinab. »Richten Sie Monique herzliche Grüße von mir aus«, bat er, ohne ein Wiedersehen vorzuschlagen. Unsicher, aber diesmal nicht mehr ganz so kühl, lächelte sie ihn an und startete den Motor.
    Charlie ging nachdenklich zu seinem Auto. Was müsste er tun, um den Eispanzer, der ihr Herz umgab, vollends aufzutauen?

12
    An einem weiteren verschneiten Tag schaute Charlie aus dem Fenster, eins von Sarahs schmalen, in Leder gebundenen Tagebüchern in der Hand. So schnell wie möglich wollte er herausfinden, was sie nach ihrer Landung in Boston erlebt hatte.
    Doch dann dachte er plötzlich an Francesca. Warum hatte sie Frankreich verlassen? Was hatte sie nach Shelburne Falls geführt? Ein seltsamer Wohnsitz für eine Frau, die an den Pariser Glamour gewöhnt war … Würde er sie jemals gut genug kennen, um danach zu fragen? Schließlich verbannte er sie aus seinen Gedanken, sank in seinen einzigen bequemen Sessel und vertiefte sich wieder in Sarahs schwungvolle Handschrift. Schon nach wenigen Minuten hatte er alles andere vergessen.
    Mrs. Ingersolls Pension an der Ecke Court und Tremont Street war drei Etagen hoch und sehr komfortabel. Sogar George Washington hatte sich hier wohl gefühlt, etwa eine Woche vor Sarahs Ankunft.
    Als sie eintraf, mit einer einzigen Reisetasche und ohne weibliche Begleitung, waren Mrs. Ingersoll und ihre Haushälterin sichtlich erstaunt. Sarah erklärte, sie sei Witwe und eben erst aus England angekommen. In letzter Minute habe ihre Nichte, die mit ihr nach Boston fahren sollte, wegen einer plötzlichen Erkrankung auf die Reise verzichten müssen. Sofort bekundete die Pensionswirtin ihr Mitgefühl und befahl der Haushälterin, Sarahs Gepäck in eine Suite hinaufzubringen.
    Im großen Salon herrschte roter Brokat vor, im angrenzenden Schlafzimmer hellgrauer Satin. Die Fenster der beiden sonnigen, exquisit ausgestatteten Räume boten einen Ausblick auf den Scollay Square. In der Ferne sah Sarah den Hafen.
    Es war einfach wundervoll, in der geschäftigen Stadt umherzuwandern, Schaufenster zu betrachten und den Leuten zu lauschen. Meistens hörte sie englische und irische Akzente. Zwischen all den Soldaten, Kaufleuten und Handwerkern war Sarahs aristokratische Eleganz deutlich zu erkennen, trotz der schlichten Kleidung. Sie trug immer noch dieselben schwarzen Sachen wie an Bord der
Concord,
und der Seidenhut sah inzwischen ziemlich schäbig aus. Nach ein paar Tagen bat sie Mrs. Ingersoll um die Adressen einiger Geschäfte. Im herbstlichen Boston brauchte sie unbedingt eine warme Garderobe. Sie besaß nur den Umhang, in dessen Futter nach wie vor ihre Juwelen und etwas Geld eingenäht waren.
    In einem kleinen Schneidersalon an der Union Street studierte sie einige Modezeichnungen, die eine Kundin im Vorjahr aus Frankreich mitgebracht hatte. Diese
grande dame
erwarb den Großteil ihrer Kleider in Europa. Aber sie hatte fünf Töchter. Für diese Mädchen wurden die Pariser Entwürfe kopiert, die auch Sarah gefielen. Sie bestellte ein halbes Dutzend Kleider, und die Schneiderin nannte ihr den Namen einer Modistin, die passende Hüte anfertigen würde.
    In den Straßen von Boston sah Sarah eine viel schlichtere Garderobe als jene, die sie in England getragen hatte. In Frankreich hatten sich die Frauen noch viel aufwendiger gekleidet. Aber seit dem Ausbruch der Revolution kümmerten sich die Französinnen sicher nicht mehr um die Mode. Jetzt hatten sie andere Sorgen.
    Was Sarah in der Neuen Welt brauchte, war keine erlesene Eleganz, sondern eine praktische Kleidung, die respektabel wirkte und zu ihrem »Witwenstand« passte. Deshalb wählte sie fast nur schwarze, etwas »triste« Sachen. Aber einem wunderschönen Modell aus königsblauem Samt in der Farbe ihrer Augen konnte sie nicht widerstehen, wenn sie auch nicht wusste, wo sie dieses Kleid tragen sollte. Nun, vielleicht lernte sie bald ein paar Leute kennen und wurde zu

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