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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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Bällen oder Partys eingeladen. Dann wollte sie nicht langweilig und unscheinbar aussehen. Die Schneiderin versprach ihr, die meisten Kleider innerhalb der nächsten beiden Wochen fertig zu stellen. Nur für den komplizierteren Schnitt des blauen Samtkleides würde sie bis zum Monatsende brauchen.
    Nachdem Sarah den kleinen Salon verlassen hatte, suchte sie eine Bank auf und erklärte ihre Situation. Seit kurzem verwitwet, sei sie soeben aus England eingetroffen, würde niemanden in Boston kennen und gern eine Farm außerhalb der Stadt kaufen.
    »Und wie wollen Sie die Farm betreiben, Mrs. Ferguson?«, fragte Angus Blake, der Bankdirektor, sichtlich verdutzt. »So etwas ist keine leichte Aufgabe, schon gar nicht für eine allein stehende Frau.«
    »Das ist mir bewusst, Sir«, erwiderte sie mit sanfter Stimme. »Natürlich müsste ich einige Leute einstellen. Und sobald ich eine Farm besitze, werde ich sicher geeignetes Personal finden.«
    Missbilligend musterte er sie über den Rand seiner Brille hinweg und betonte, in der Stadt wäre sie viel besser aufgehoben. In Boston stünden sehr schöne Häuser in distinguierten Wohngebieten zur Verfügung. Bald würde sie Freunde finden. Und - was er allerdings nicht aussprach - in absehbarer Zeit würde die hübsche junge Frau zweifellos wieder heiraten. Also wäre es sinnlos, eine Farm zu kaufen. Das hielt er so oder so für eine verrückte Idee. »Bitte, überstürzen Sie nichts, Mrs. Ferguson. Leben Sie sich erst einmal hier ein, bevor Sie eine Entscheidung treffen.«
    Während der nächsten Wochen nahm er sie unter seine Fittiche, tat sein Bestes, damit sie sich in Boston heimisch fühlte, und machte sie mit einigen Bankkunden bekannt. Offensichtlich stammte sie aus vornehmen englischen Kreisen, und seine Frau behauptete, in Mrs. Ferguson würde viel mehr stecken, als man auf den ersten Blick vermuten mochte. »Irgendwas an ihr ist ungewöhnlich, Angus«, meinte sie, nachdem sie die Engländerin kennen gelernt hatte. Nie zuvor war ihr eine so kluge, tüchtige, charakterstarke Frau begegnet, und sie hatte immerhin schon Kinder in Sarahs Alter. Allein schon der Gedanke an die Reise auf der
Concord
jagte einen Schauer über Belinda Blakes Rücken. Was den Kauf einer Farm betraf, stimmte sie ihrem Gemahl zu - ein völlig absurder Plan. »Meine Liebe, Sie müssen in der Stadt bleiben!«, beschwor sie Sarah, die einfach nur lächelte, statt zu antworten.
    Die Blakes führten Sarah in ihren Gesellschaftskreis ein. Bald erhielt sie zahlreiche Einladungen zu Dinner- und Teepartys. Doch sie überlegte sehr genau, wen sie besuchte, und sie zögerte, Freundschaften zu schließen. Dauernd fürchtete sie, jemand aus England könnte sie erkennen. Sie war nur selten mit Edward nach London gefahren. Aber vielleicht hatte sich die Geschichte ihrer Flucht herumgesprochen oder war sogar in der Presse veröffentlicht worden. Sollte sie Haversham schreiben und sich danach erkundigen? Nein, das wagte sie nicht.
    Schließlich nahm sie ein paar Einladungen an und fand vertrauenswürdige Freunde. Angus Blake stellte ihr einen diskreten Juwelier vor, der angesichts ihres Schmucks voller Ehrfurcht den Atem anhielt. Die kleineren Stücke wollte sie vorerst behalten, die größeren veräußern, insbesondere ein Diamantenhalsband, das ihr Mann offenbar übersehen hatte. Mit dem Erlös dieses kostbaren Geschmeides könnte sie mehrere Farmen oder ein luxuriöses Haus in Boston kaufen. Von Belinda gedrängt, hatte sie bereits zahlreiche stattliche Gebäude besichtigt. Aber sie hatte den Traum von einer Farm außerhalb der Stadt nicht aufgegeben.
    Ohne Zögern erwarb der Juwelier das Halsband. Dafür hatte er einige Interessenten, und selbst wenn er in Boston keinen Käufer fand - in New York dürfte es diesbezüglich keine Probleme geben. Das Geld wurde auf Sarahs Bankkonto eingezahlt. Dort lag Ende November eine beträchtliche Summe, und Sarah staunte, weil sie mittlerweile so viele Leute kannte. Alle begegneten ihr sehr liebenswürdig.
    Nach wie vor nahm sie nur wenige Einladungen an, aber obwohl sie es zu vermeiden suchte, erregte sie jedes Mal Aufsehen unter den distinguierteren Stadtbewohnern. Ihre aristokratische Aura und ihre ungewöhnliche Schönheit waren unübersehbar und bildeten bald einen beliebten Gesprächsstoff bei den Gentlemen, die sich oft in der Royal Exchange Tavern versammelten. Fast über Nacht stand Sarah Ferguson im Mittelpunkt allgemeiner Aufmerksamkeit. Umso ungeduldiger

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