Die Erscheinung
entstand, wie sich die Holzteile auf fast magische Weise zusammenfügten. Und die Männer hielten Wort. Am 1. Juni konnte sie einziehen. Nur widerstrebend kehrte sie nach Boston zurück, damit sie ihre Habseligkeiten packen konnte. Außerdem gab es einige Dinge, die sie brauchte. Mitte Juni reiste sie in einer schwer beladenen Kutsche, wie üblich von einem Fahrer und zwei Führern beschützt, zunächst nach Deerfield und dann nach Shelburne. Beglückt packte sie ihre Sachen aus und genoss die sommerliche Schönheit ihrer Lichtung. Dicht belaubte Bäume überschatteten das Holzhaus.
Bald entstanden Ställe für ein halbes Dutzend Pferde, ein paar Schafe, eine Ziege und zwei Kühe. Zwei junge Burschen, die schon seit dem Beginn des Jahres für Sarah arbeiteten, hatten Felder angelegt und Mais gepflanzt. Für nächstes Jahr waren auch andere Getreidesorten geplant. Einer der Jungen erkundigte sich bei benachbarten Irokesen, was in dieser Gegend am besten gedieh.
Mitte Juli kam Colonel Stockbridge zu Besuch, und sie tischte ihm ein herzhaftes, selbst zubereitetes Dinner auf. Sie kochte jeden Abend für die beiden blutjungen Farmarbeiter und behandelte sie wie ihre Kinder. Wohlgefällig schaute sich der Colonel in Sarahs schlichtem, gemütlichem Heim um, verstand aber nicht, warum sie die Privilegien aufgegeben hatte, die sie in England genossen haben musste. Das zu erklären, wäre unmöglich gewesen. Die Erinnerung an ihr Eheleben beschwor immer noch Albträume herauf, und sie dankte dem Allmächtigen unentwegt für ihre Freiheit.
Fast jeden Tag wanderte sie zum Wasserfall, saß manchmal stundenlang auf den Felsen, zeichnete und schrieb in ihr Tagebuch. Oder sie dachte einfach nur nach, die Füße in den kalten Wellen. Sie liebte es, von einem Felsblock zum anderen zu springen und sich auszumalen, wie die großen Löcher im Gestein entstanden waren. Darüber hatten die Indianer wunderbare Legenden ersonnen, und Sarah stellte sich vor, himmlische Geschöpfe hätten die Felsen einander zugeworfen. Oder sie waren als Kometen zur Erde gefallen. Sie fand vor dem rauschenden Wasserfall ihren inneren Frieden, und die seelischen Wunden begannen endlich zu heilen. Bald erschien ihr das Leben in England nur mehr wie ein böser Traum.
Eines Nachmittags schlenderte sie vom Wasserfall in die Richtung ihres Hauses. Unter dem Sonnenschein des späten Julis summte sie vergnügt vor sich hin. Plötzlich hörte sie das Gras rascheln, und dann sah sie ihn. Hätte sie seine Identität inzwischen nicht sofort gekannt, wäre sie erneut erschrocken. In einer Wildlederhose, mit nackter, bronzebrauner Brust, saß François de Pellerin auf seinem ungesattelten Pferd und beobachtete Sarah.
Schweigend erwiderte sie seinen Blick und nahm an, er würde zur Garnison reiten.
In Wirklichkeit kam er gerade von dort und hatte mit dem Colonel über sie gesprochen. Stockbridge fand immer noch, sie wäre eine bemerkenswerte Frau, und seine Gemahlin bedauerte nach wie vor, dass sie Mrs. Ferguson nicht hatte überreden können, in Boston zu bleiben. »Offensichtlich will sie hier leben - fragen Sie mich nicht, warum! Sie sollte nach England zurücksegeln, wo sie hingehört.«
Dieser Meinung war auch François, vor allem, weil sie sich hier draußen in Gefahr begab. Das ärgerte ihn maßlos. Andererseits hatte ihn ihr Mut tief beeindruckt, als sie sich vor sechs Monaten begegnet waren. Seither dachte er sehr oft an sie. Schon vor dem Gespräch mit Stockbridge hatte er von seinen Seneca-Freunden erfahren, sie würde jetzt bei Shelburne leben. Im Indianergebiet gab es nur wenige Geheimnisse. Auf dem Weg von Deerfield zu einem Irokesenlager hatte er spontan beschlossen, sie zu besuchen. Einer ihrer Angestellten erklärte ihm, wo sie sich gerade befand. Anfangs fürchtete sich der Junge und hielt ihn für einen Mohawk. Aber François sprach sehr höflich mit ihm und behauptete, er sei ein alter Freund von Mrs. Ferguson. Hätte sie das gehört, würde sie sicher staunen.
Er war ihr entgegengeritten, und nun ging sie zögernd auf ihn zu, keineswegs erfreut über das Wiedersehen, was ihre Miene nicht verhehlte.
»Guten Tag, Madam.« Er stieg ab und fragte sich, ob er mit seiner freizügigen indianischen Kleidung Anstoß erregen würde. Doch Mrs. Ferguson schien gar nicht darauf zu achten. »Der Colonel schickt Ihnen freundliche Grüße«, fügte er hinzu, folgte ihr zum Haus und führte sein Pferd am Zügel mit sich.
»Warum sind Sie hierher gekommen?«,
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