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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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zog es an. Ein Lederband hielt sein langes, mit einer Feder und grünen Perlen geschmücktes Haar im Nacken zusammen. An seinem Hals hing eine Kette aus Bärenkrallen.
    Als würden sie einander seit Jahren kennen, saßen sie am Küchentisch. Die Jungen waren bereits verköstigt worden, und Sarah hatte den Tisch für zwei Personen gedeckt, mit einem weißen Spitzentuch. An diesem Abend benutzte sie zum ersten Mal das schöne Geschirr aus Gloucester, das sie einer Engländerin in Deerfield abgekauft hatte. In Kandelabern aus Zinn brannten Kerzen, warfen ein warmes Licht auf ihre Gesichter und flackernde Schatten an die Wand. Bei der Mahlzeit sprachen sie über die Indianerkriege, und François erklärte die Sitten und Gebräuche der Irokesen und anderer ortsansässiger Stämme. Bei seiner Ankunft in der Neuen Welt hatten erheblich mehr Indianer in dieser Gegend gelebt. Dann waren sie von der Washingtoner Regierung ständig weiter nach Norden und Westen getrieben worden. Auf dem langen Marsch nach Norden hatten viele den Tod gefunden. Die Überlebenden fanden in Kanada eine neue Heimat. Während Sarah zuhörte, verstand sie etwas besser, warum die Stämme im Westen so erbittert gegen die Army und die weißen Siedler kämpften und ihr Land mit aller Macht verteidigten. Einerseits empfand sie Mitleid mit den Ureinwohnern, andererseits verabscheute sie, was manche Indianer den Siedlern antaten. François strebte die Unterzeichnung eines Friedensvertrags an, aber bisher hatten seine Verhandlungen keinen Erfolg erzielt. »In diesem Krieg müssen beide Seiten schweres Leid auf sich nehmen. Es gibt keine gerechte Lösung für das Problem. Und letzten Endes werden die Indianer auf der Verliererseite stehen.«
    Diese Erkenntnis bedrückte ihn sichtlich. In all den Jahren hatte er die Indianer schätzen und lieben gelernt. Und wie Sarah bereits erfahren hatte, respektierten ihn die verschiedenen Stämme ebenso wie die Siedler.
    »Wieso sind Sie hierher gekommen, Sarah?«, fragte er nach einem kurzen Schweigen. Inzwischen hatten sie beschlossen, einander mit dem Vornamen anzureden.
    »Wäre ich in England geblieben, würde ich vermutlich nicht mehr leben«, seufzte sie. »Praktisch war ich eine Gefangene im Haus meines Mannes. Als ich sechzehn war, wurde ich mit ihm verheiratet. Leider gelang es ihm, meinen Vater dazu zu überreden. Bei der Hochzeit bekam er ein schönes Stück Land. Mein Vater starb wenig später, und mein Ehemann misshandelte mich acht Jahre lang. Eines Tages erlitt er einen Reitunfall, und ich glaubte, er würde sterben. Da stellte ich mir zum ersten Mal vor, wie es wäre, frei zu sein, nicht mehr geschlagen zu werden … Doch er erholte sich, und alles war wieder genauso wie früher. Ich ritt heimlich nach Falmouth und kaufte eine Passage auf einer kleinen Brigg, die nach Boston segeln sollte. Drei Wochen lang musste ich auf die Abreise warten, und jeder Tag erschien mir wie ein Jahr. Ich konnte es kaum erwarten, England zu verlassen - obwohl die Überfahrt auf einem so kleinen Schiff gefährlich war. Kurz vor der Abfahrt tat mir mein Mann - etwas Schreckliches an. Da wusste ich, dass ich lieber ertrinken würde, als noch länger bei ihm auszuharren. Wäre ich bei ihm geblieben, hätte er mich wahrscheinlich getötet.« Oder sie wäre erneut schwanger geworden und im Kindbett gestorben. Doch das erwähnte sie nicht. Stattdessen fragte sie François, warum er nicht nach Frankreich zurückgekehrt sei. Sein Schicksal interessierte sie, und sie freute sich über seine Gesellschaft. Da sie in Shelburne so oft allein war, genoss sie die Gelegenheit, mit einem intelligenten Mann zu reden. Die beiden Jungen, die für sie arbeiteten, waren liebenswert und tüchtig, aber ungebildet und keine geeigneten Gesprächspartner.
    »Weil ich dieses Land liebe - und mich hier nützlich machen kann«, erwiderte François. »In Frankreich hätte ich nichts erreichen können. Vermutlich wäre ich bei der Revolution gestorben. Hier bin ich zu Hause, schon sehr lange.« Verständnisvoll nickte Sarah. Da sie es unvorstellbar fand, jemals wieder in England zu leben, teilte sie seine Gefühle. »Und Sie, meine Freundin? Möchten Sie für ewig in dieser abgeschiedenen Gegend leben? Das ist nichts für ein junges Mädchen.«
    »Immerhin bin ich schon fünfundzwanzig«, wehrte sie amüsiert ab, »also kein junges Mädchen mehr. Und ich habe tatsächlich vor, den Rest meines Lebens hier zu verbringen.«
    »Und wie wollen Sie sich verhalten,

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