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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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fragte sie unverblümt und erbost. Im letzten Winter hatte sie gehofft, dem unverschämten Franzosen nie wieder zu begegnen.
    »Um mich zu entschuldigen.« Verblüfft hob sie die Brauen.
    Sie trug ein schlichtes blaues Baumwollkleid mit einer weißen Bluse und einer Schürze. So ähnlich hatten sich die Mägde auf der Farm ihres Vaters in England gekleidet. Und nun führte sie ein fast so einfaches Leben wie jene Dienstboten - wenn François sie auch mit ganz anderen Augen sah. Sie kam ihm wie ein Wesen aus einer Märchenwelt vor. »Im Winter habe ich Sie furchtbar erschreckt, das weiß ich, und ich hätte es nicht tun dürfen. Aber ich wollte Sie veranlassen, nach Boston zurückzukehren. In dieser Wildnis sind die meisten Frauen schlecht aufgehoben. Das Leben ist hart, der Winter lang. Und überall lauern Gefahren.«
    Wieder einmal fiel ihr der französische Akzent in seinem Englisch auf, leicht verfremdet mit indianischen Anklängen - wahrscheinlich, weil er schon seit vielen Jahren in den verschiedenen Dialekten der Irokesen sprach. Unwillkürlich fand sie diese Mischung faszinierend.
    »Hier draußen liegen viele Weiße begraben, die besser daheim geblieben wären. Aber vielleicht sind Sie, meine tapfere Freundin, für das Leben in diesem Land geschaffen«, gestand er ihr zu. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, erhellte ein Lächeln sein Gesicht, und sie glaubte, die Sonne über den Bergen aufgehen zu sehen. Nachdem er ihr an jenem Abend im verschneiten Wald begegnet war, schätzte er sie anders ein. Das hätte er ihr schon längst sagen sollen. Jetzt nutzte er die Gelegenheit, und er war freudig überrascht, weil sie ihm zuhörte.
    Damals war sie so wütend gewesen. Er hatte befürchtet, sie würde nie wieder mit ihm reden. »In einer Indianerlegende stirbt eine Frau für die Ehre ihres Sohnes und lebt zwischen den Sternen weiter, ein Licht, das allen Kriegern den Weg durch das Dunkel zeigt.« Er schaute zum Himmel auf, als würde er trotz der Sonne die Sterne sehen. Dann lächelte er Sarah wieder an. »Nach dem Glauben der Indianer wandern die Seelen aller Menschen nach dem Tod zum Firmament empor. Manchmal tröstet mich dieser Gedanke, wenn ich an die Menschen denke, die mich verlassen haben.«
    Wer das gewesen war, wollte sie nicht fragen. Aber seine Worte erinnerten sie an ihre toten Babys. »Das gefällt mir.« Nach einigem Zögern erwiderte sie sein Lächeln. Vielleicht war er nicht so widerwärtig, wie sie vermutet hatte. Doch sie misstraute ihm noch.
    Langsam ging er neben ihr her und führte sein Pferd am Zügel. »Der Colonel erzählte mir, wir beide hätten etwas gemeinsam. So wie ich haben Sie in Europa die Vergangenheit zurückgelassen.« Bestürzt überlegte sie, ob Stockbridge ihm noch mehr mitgeteilt hatte. Andererseits konnte der Colonel nichts wissen, abgesehen von den Gerüchten in Boston. »Sicher war es nicht leicht für eine junge Frau, alles aufzugeben und in die Neue Welt zu reisen.« François versuchte herauszufinden, was sie hierhergeführt hatte. Vielleicht »ein unleidlicher Ehemann«, wie der Colonel vermutete. Nein, es musste mehr dahinter stecken, wenn sie bis in die Einsamkeit von Shelburne geflohen war. Jedenfalls schien sie in dieser Gegend ihren inneren Frieden zu finden.
    Vor ihrem Haus angekommen, zögerte er, auf sein Pferd zu steigen, und Sarah runzelte unschlüssig die Stirn. Trotz jener Bemerkung bezweifelte sie, dass sie viel gemeinsam hatten. Er lebte bei den Indianern, und sie wohnte allein in der Wildnis. Aber vielleicht wäre er ein interessanter Freund, und sie wollte noch mehr Indianerlegenden hören. »Möchten Sie zum Dinner bleiben? Es gibt nichts Besonderes, nur einen Eintopf. Seit ich hier hause, ernähre ich mich ganz einfach. Und den Jungen schmeckt's.« Patrick und John, beide fünfzehn Jahre alt, stammten aus irischen Familien, die in Boston lebten. Was sie verspeisten, kümmerte die Eltern nicht, und die Jungen schon gar nicht - solange sie satt wurden. Dafür sorgte Sarah sehr gern.
    »Würde ich eine Indianerfamilie besuchen, müsste ich ein Geschenk mitbringen. Leider komme ich mit leeren Händen.« François hatte nur beabsichtigt, nach Mrs. Ferguson zu sehen und ihr die Grüße des Colonels auszurichten. Doch ihre sanfte Stimme bewog ihn, die Einladung anzunehmen.
    Er fütterte und tränkte sein Pferd, dann wusch er sich das Gesicht und die Hände in der Quelle hinter dem Haus. Bevor er hineinging, nahm er ein Lederhemd aus seiner Satteltasche und

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