Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman
Richtung Teich.
Ich drehe eine Runde, sagte ich und sprang über die federnden Dielen davon. Als ich am Esszimmerfenster vorbeikam, hörte ich Großmutter sagen: Weiß der Kuckuck.
Als ich zu Onkel Thoby zurückkam, erwartete er mich mit offenen Armen. Das machten wir immer so. Ich drehte eine Runde, und er wartete. Er hob mich hoch und setzte mich auf das Verandageländer. Ganz schön anstrengend, sagte ich und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Ich lehnte mich zurück. Er hielt mich an den Fußgelenken fest. Ich lehnte mich so weit zurück, bis der Teich auf dem Kopf stand.
Ich muss dich was fragen, sagte er.
Ich muss dich was fragen.
Okay, du zuerst.
Ich richtete mich auf. Ich sah mich um. Hinter ihm, in der Küche, wippten die Ballons auf und ab.
Du hast eigentlich gar keine Frage, sagte er.
Doch. Los geht’s. Bist du bereit. Ich bin ganz Ohr. Okay. Meine Frage lautet. Hattest du einen schönen Happy Doozoo.
Er lächelte. Ein sehr schönen sogar.
Ich ging ganz nah an ihn heran, bis sich unsere Nasenspitzen fast berührten. Ich strich ihm die Haare aus dem Gesicht, damit ich ihm in die Augen schauen und sehen konnte, ob er lügt. Er log. Ich nahm ihn in die Arme. Und drückte ihn ganz fest. Er hob mich hoch, und wir spazierten einmal rings um die Veranda. Was ist denn los, flüsterte er mir ins Ohr. Du benimmst dich ziemlich merkwürdig in letzter Zeit.
Ich drückte mein Gesicht an seine Wange. Ich kann Gäste nicht leiden.
Ich war aber doch auch mal Gast.
Das ist was anderes, murmelte ich. Toff und Großmutter sind très méchants .
Très méchants .
Sie haben gemeine Augenbrauen.
Er gab keine Antwort. Was wolltest du mich denn fragen.
Ach ja. Meine Frage. Bist du bereit. Los geht’s. Habe ich dich vorhin zufällig Kaffee trinken sehen.
Nein.
Ich glaube doch. Und ich glaube, da liegt der krumme Hund begraben. Bist du müde.
Nein.
Ich glaube doch.
Nein.
Ich glaube, es ist höchste Zeit fürs Bett, sagte er.
Du meinst, für die Liege.
Auf der Liege machte ich eine kleine Kummerliste:
1. Mich hat genervt, wie Großmutter mir beim Essen zugeguckt hat. Immer wenn die anderen geredet haben, hat sie auf meinen Teller geglotzt. Außerdem hat mich gestört, wie sie und Toff Blickkontakt aufgenommen haben, als wär ich blind. Onkel Thoby hat mir später erklärt, dass sie ganz hippelig waren, weil sie rauchen wollten und es sich nicht gehört, am Tisch zu rauchen, solange noch jemand isst. Dabei hätte ich auch nicht schneller essen können, wenn ich gewollt hätte, was ich aber gar nicht wollte. Stattdessen habe ich langsam gegessen. Mein Dad hat schnell gegessen. Und Onkel Thoby mittelschnell. Wenn mein Dad aufgegessen hat, liest er uns normalerweise aus der Biografie vor, bis ich aufgegessen habe. So geht die Regel. Und nur weil er bei Tisch nicht liest, wenn wir Gäste haben, brauche ich noch lange keine liebgewonnene Angewohnheit über Bord zu werfen. Weil, was dann. Was, wenn ich eine liebgewonnene Angewohnheit über Bord werfe und mir stattdessen angewöhne, schnell zu essen. Was wird dann aus dem Vorlesen. Dann müsste ich nämlich nicht nur früher abwaschen. Sondern auch früher ins Bett.
2. Ich fand es blöd, wie Toff sich lang und breit über Cambridge ausgelassen hat. Lächerlich. Er wollte die ganze Zeit mit meinem Dad in Erinnerungen schwelgen. Man müsste ihn eigentlich viel öfter unterbrechen. Beziehungsweise ich, weil sonst macht es ja keiner. Genau darum habe ich ja auch den Korkenzieher genommen. Außerdem habe ich ihn gefragt: Wie tief war denn der Fluss, in den du über Bord gefallen bist. Nur hüfttief, sagte er. Ich lachte. Unser Teich hat keinen Grund, sagte ich. Willst du nicht mal darin schwimmen gehen. Audrey, sagte mein Dad. Aber es war ja auch nicht nett Onkel Thoby gegenüber, dieses Geschwelge in Erinnerungen, Onkel Thoby war nämlich nicht in Cambridge, sondern ist in London geblieben und wurde Gepäckabfertiger und das schwarze Schaf der Familie.
3. Großmutter hat Onkel Thoby am Flughafen keinen Kuss gegeben.
4. Onkel Thoby kam in keiner einzigen Erinnerung vor.
5. Ich fand es blöd, wie genervt Großmutter war, als sie von den Experimenten erzählte, die mein Dad als kleiner Junge gemacht hat. Zum Beispiel, wie er verletzte Insekten gerettet und gesund gepflegt hat, obwohl sie nur drei Beine hatten. Einen dreibeinigen Käfer hat er jahrelang in einem Marmeladenglas gehalten. Du übertreibst, sagte mein Dad. Wedge fand Großmutter mindestens
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