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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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die Augen zusammen.
    Hallo, Mum.
    Großmutter küsste erst meinen Dad. Und dann mich, fest, auf beide Wangen. Du bist größer geworden, sagte sie.
    Und du schärfer.
    Ich war ihr erst einmal begegnet. In England, bei der Beerdigung meines Großvaters. Damals hatte sie vom vielen Weinen ganz verschwommen ausgesehen.
    Ihr Koffer war verloren gegangen. Sie sah aus, als ob sie ihm am liebsten einen Tritt gegeben hätte. Die kriegen hier aber auch gar nichts gebacken, sagte sie.
    Onkel Thoby, der am Flughafen Heathrow in der Gepäckabfertigung gearbeitet hatte, meinte (wobei seine Brauen ihre Giebelform beibehielten), sie solle sich keine Sorgen machen. Der Koffer werde mit der nächsten Maschine aus London kommen.
    Und wann ist das, sagte Großmutter. Nächsten Monat.
    Hinter ihr suchte Toff wölfisch den Blickkontakt mit meinem Dad und sagte, er brauche dringend eine Zigarette.
     
    Toffs Bart verfing sich in der Schnalle des Sicherheitsgurtes. Sein Bart war unglaublich lang. Genau wie er. Er musste beim Einsteigen Kopf, Bauch und Beine einziehen. Großmutter quetschte sich zu mir und Onkel Thoby auf den Rücksitz. Ich hockte auf Onkel Thobys Knie, und er schlang seinen langen Arm wie einen Sicherheitsgurt um mich. Ich starrte auf Großmutters Haare, die auf ihrem Kopf saßen wie ein Hut. Erst zündete sie sich eine Zigarette an. Dann Toff. Danach rauchten sie in einer Tour. Beim Rauchen legten sie den Kopf in den Nacken, und ihre Augenbrauen bildeten einen noch spitzeren Winkel als sonst.
    Seit Großmutter und Toff da waren, herrschte bei uns dicke Luft. Was nicht nur an ihrem ständigen Gequalme lag. Die Atmosphäre war irgendwie drückend. Aber vielleicht war ich auch einfach nur müde und erschöpft. Ich hatte Toff mein Zimmer überlassen und schlief auf einer Liege am Fußende von meinem Dad.
    Es ist anstrengend, seinem Dad beim Schlafen zuzusehen. Ich kann davon nur abraten. Es ist nicht schön, dabei sein zu müssen, wenn der eigene Dad zwar anwesend, aber eigentlich doch abwesend ist. Ich gab mir alle Mühe einzuschlafen, bevor er heraufkam, um ins Bett zu gehen, aber leider blieb mir immer nur Zeit für eine schnelle Montage, bevor er die Tür aufmachte.
    Na, noch wach, alte Zimtzicke.
    Verdammt noch mal. Ich setzte mich auf. Die Liege war aus rotem Metall und quietschte.
    Kann ich das Licht anmachen.
    Ja. Ich hielt mir die Augen zu. Dad.
    Hm.
    Die wollen doch nicht für immer bleiben, oder.
    Audrey …
    Weil Onkel Thoby doch bei uns geblieben ist.
    Ich spähte zwischen meinen Fingern hindurch. Das Zimmer war knallgelb.
    Mein Dad setzte sich auf die Bettkante. Aber es macht dir doch nichts aus, dass Onkel Thoby bei uns ist, oder.
    Nein! Nein. Wie sollte ich ihm das erklären. Also gut. Ich schlafe nicht gern in deinem Zimmer, wenn deine nackten Füße auf mich zeigen. Ich will dich nicht mit nackten Füßen sehen. Sonst hast du doch auch keine nackten Füße. Kannst du im Bett bitte bitte Socken anziehen.
    Warum.
    Kannst du!
    Ja, gut.

     
    Es war Sommer. Aber wir saßen auf der Veranda und hatten Gänsehaut. Sogar mein Gesicht hatte Gänsehaut. Mein Dad band Heliumballons ans Verandageländer, weil Onkel Thoby und er Geburtstag hatten. Wir saßen da und zitterten. Der Teich schwappte wie schwarzer Kaffee. Alle tranken schwarzen Kaffee. Toff und Großmutter hatten (von mir) jeder einen eigenen Kaffeebecher zugewiesen bekommen. Auf Toffs Becher war eine anstößige Karikatur der Queen. Auf dem von Großmutter stand LONDON. Vielleicht kriegten sie davon Heimweh.
    Meine Augen fühlten sich klein an und blieben klein. Auch nachts.
    Als ich sagte, ich friere im Gesicht, sagte Toff, sein Bart sei wie eine warme Decke. Dann hob er ihn hoch und sagte: Na, wie wär’s.
    Ich wurde fast ohnmächtig vor Schreck.
    Außerdem: Waren Toff und Großmutter nicht extra zu Dads und Onkel Thobys Geburtstag gekommen. Trotzdem hatten sie ihnen heute Morgen keinen Happy Doozoo gewünscht, nicht einmal nachdem ich es gesagt hatte, dreimal, laut und deutlich.
    Verzeihung, sagte Toff. Aber der Doozoo ist …
    Heute, sagte ich.
    Der zwölfte August, sagte Onkel Thoby.
    Le douze août , sagte ich langsam.
    Ach ja. Natürlich.
    Und warum hatten sie ihnen nichts geschenkt. Großmutter schien verwirrt. Sie sagte, die Geschenke seien in ihrem verlorengegangenen Koffer. Wenn du es sagst, sagte ich. Audrey, sagte mein Dad. So gab es nur die Heliumballons (von mir), weil Onkel Thoby Helium toll fand. Und ein neues Telefon für meinen Dad (von

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