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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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wird alles gut. Sehen Sie sich doch nur einmal das Wort bientôt an. Sehen Sie, wie glücklich und voller Hoffnung diese Augenbrauen sind.
    Das ist eine herrlich einfache Formel. Warum also sollte sie nicht auch im richtigen Leben gelten.
    Onkel Thoby beispielsweise hat accent-circonflexe -Augenbrauen. Sogar wenn er schläft. Auch mein Dad hat, pardon, hatte accent-circonflexe -Augenbrauen, außer morgens beim Aufwachen. Wenn er morgens aufwachte, sah er aus wie ein alter Griesgram, und man wusste nie, wie lange sich dieses Grognard-Gesicht hielt. Von anderer Leute Träume wollte er sowieso nichts wissen. Kann ich nicht wenigstens in Ruhe meinen Kaffee trinken. Aber ein V bildeten seine Augenbrauen nie. Sie waren eher gerade wie bei Bert. Onkel Thobys Brauen hingegen erinnern mich an Ernie. Das ist ein guter Vergleich. So lieb und reizend Bert sonst auch ist, morgens sollte man sich vor ihm in Acht nehmen.
    Ein Grognard ist jemand, der eben aufgewacht und darüber nicht sonderlich erfreut ist.
    Früher fand ich es seltsam, wie sehr das Grognard-Gesicht von meinem Dad sich von seinem Tagesgesicht unterschied. Ich war morgens zwar auch ein Grognard. Meine Augen waren kleiner. Aber mein Dad hatte nicht nur kleinere Augen und dunklere Augenbrauen, sondern sein ganzes Gesicht war so ernst, dass er sich nur schwer zum Lachen bringen ließ. Und wenn er dann doch einmal lachte, wirkte es gequält und angestrengt, als ob es wehtäte.
    Er begleitete mich jeden Morgen zur Schule. Bei jedem Wetter. Das Auto war nur für Schwertransporte. Er sagte, ich dürfe das Wetter nicht persönlich nehmen. Hinaus mit dir, sagte er. Du bist schließlich wasserdicht.
    Ach ja.
    Du könntest stundenlang im Regen stehen und würdest dich nicht mit Wasser vollsaugen.
    Aber meine Haare schon.
    Dann schneid sie ab. Wie ich.
    Mein Dad hatte kurze, glatte Igelhaare. Ich hatte einen Pferdeschwanz, den ich über alles liebte und nie im Leben abgeschnitten hätte. Mein Dad nannte meinen Pferdeschwanz mein Fragezeichen. Schneid das Fragezeichen ab!
    Onkel Thoby hingegen nahm das Wetter sehr persönlich. Bei Schnee oder Eisregen sagte er: Rufen wir lieber bei Clint an. Folglich kam Onkel Thoby, zu dessen Aufgaben es gehörte, mich von der Schule abzuholen, nicht selten in einem Clint’s Cab vorgefahren. Aber mein Dad. Nie. Mein Dad brachte mich zu Fuß zur Schule, und dann ging er weiter zur Universität. Immer. Ob es regnete oder schneite. Ob es ein Trottoir gab oder nicht. Das war eine seiner vielen Regeln.
    Clint. Ohne mich, sagte er.
    Clint. Ohne mich, echote ich.
    Wenn der Wind zunimmt, hältst du dich einfach an einem Stein fest, sagte er.
    Ist gut.
    Oder an mir, wenn ich dabei bin.
    Wenn wir uns vor der GOLEM voneinander verabschiedeten, hatte er noch immer sein Grognard-Gesicht. À bientôt , sagte ich hoffnungsvoll.
    À bientôt.
     
    Nachts werden meine Augen größer und schöner. Das kommt daher, dass wir Säugetiere sind und in grauer Vorzeit alles nachts erledigen mussten, weil die Dinosaurier dann schliefen. Und dazu mussten wir so gut wie möglich aussehen.
    Am schönsten war es abends, wenn wir am Tisch saßen und Kerzen brannten, weil es einen besonderen Anlass gab – zum Beispiel Weihnachten oder der Geburtstag von meinem Dad und Onkel Thoby -, und unsere Augen waren große schwarze Punkte.
    Oder der Strom war ausgefallen, und Wedge durfte auf den Tisch, weil mein Dad eine Glühbirne an sein Laufrad angeschlossen hatte. Die Glühbirne leuchtete schwach und flackerte wie eine Kerze. Sie war nicht besonders hell, aber das machte nichts, schließlich aßen wir bei Mäuselicht!
    Dann las mein Dad uns aus der Biografie von jemandem mit guten Augenbrauen vor. Obwohl. Manchmal auch von jemandem mit bösen Augenbrauen. Das machte das Buch zu einem ganz besonderen Vergnügen, weil wir dann alle einen gemeinsamen Feind hatten, alle außer Onkel Thoby, der von gemeinsamen Feinden wenig hielt, es sei denn, der Feind war lange tot und lebte nur noch in einem Buch.
     
    Womit wir bei meiner Großmuter wären und bei Toff und meiner ersten Begegnung mit bösen Augenbrauen im richtigen Leben. Sie kamen im Sommer, ein Jahr nachdem Onkel Thoby zu uns gezogen war. Kaum waren sie dem Flugzeug entstiegen, prangte auch schon ein großes V auf ihrer Stirn. Ihnen gefiel weder unser Flughafen. Noch unser lustiges Gepäckkarussell, das jemand in GEBÄCKKARUSSELL umbenannt hatte .
    Habe ich mich verlesen, oder steht das wirklich da, fragte Großmutter und kniff

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