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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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uns vor dem nicht-kanadischen Ausland schützt, ist aus dünnem Holz. Man kann sogar die Nägel und so sehen. Ich klopfe vorsichtig dagegen.
    Audrey.
    Was.
    Lass das.
    Ich lächele und klopfe gleich noch einmal.
    Keiner klopft zurück. Ich kann die Leute sprechen hören. Erst denke ich, sie wollen sich lustig machen über meinen Dad. Ich balle die Fäuste. Dann fällt mir ein: Nein, so reden in England alle.
    Koffer plumpsen auf das Karussell.
    Das Karussell legt Eier, sage ich zu meinem Dad. Das soll ein Witz sein, irgendwie, aber er lächelt nicht.
    Diese Eier stammen aus einer anderen Maschine, sagt er.
    Ach so.
    Er vergräbt die Hände in den Taschen und starrt auf die Stelle, wo die Wand aufhört und Kanada anfängt. Bis jetzt hatten alle, die durch die Wand gekommen sind, zwei gleichlange Arme.
    Unterdessen beugt sich ständig jemand über das Karussell und zerrt sein Gepäck vom Band, als sei es das Normalste von der Welt: Flugzeug, Karussell und ab nach Hause, durch die Mitte. Sie rollen davon.
    Ich ziehe die Hand von meinem Dad aus seiner Tasche und halte mich daran fest. Ich vollführe eine halbe Drehung und stecke mein Gesicht zwischen seinen Arm und seine Hüfte. Er riecht nach Dad.
    Hör auf zu klammern, Audrey.
    Wir warten. Schließlich setzen wir uns auf den Rand des Karussells, obwohl das streng verboten ist. Es sind nur noch drei Koffer übrig. Ich lese die Anhänger. Auf keinem davon steht Onkel Thoby.
    Er war nicht im Flugzeug, sage ich.
    Vielleicht kommt er nicht durch den Zoll.
    Warum. Ist er so dick.
    Blödsinn.
    Aber wäre sein Koffer dann nicht auf dem Karussell.
    Habe ich dir nicht gesagt, dass die Koffer aus einer anderen Maschine stammen.
    Ist ja gut. Herrje.
    Mein Dad rauft sich die Haare. Herrje. Weißt du eigentlich, was das heißt. Herr Jesus.
    Allmählich habe ich das Gefühl, da will uns jemand auf den Arm nehmen. Uns einen Streich spielen. Am liebsten würde ich meinen Dad umarmen und beschützen. Aber genauso gern würde ich ihn treten.
    Hinter der Wand lacht jemand. Nicht zu fassen. Ich beschließe, mich schnurstracks ins nicht-kanadische Ausland aufzumachen und marschiere los.
    Warte, Audrey.
    Zwei Männer in Uniform. Sie lachen sich fast kaputt.
    Haha, belle ich unter meinem schwarzen Schirm hervor.
    Ihre Münder gehen zu.
    Kommen da noch mehr Nicht-Kanadier.
    Sie wechseln einen Blick.
    Nein, Mäuschen, sagt der eine und beugt sich zu mir herunter. Vermisst du jemanden.
    Meinen Onkel.
    Audrey, sagt mein Dad und tritt hinter mich. Er entschuldigt sich bei den Zollbeamten.
    Kein Problem.
    Er nimmt meine Hand. Wir gehen nach Hause.
     
    Im Auto sortiere ich meine Gefühle. Am liebsten würde ich meinen Dad umarmen. Und stattdessen Onkel Thoby treten. Warum war er nicht im Flugzeug.
    Mein Dad sagt kein Wort. Er fährt langsam, was er sonst nie tut. Er fährt, als ob ein Gummiband an unserer hinteren Stoßstange befestigt wäre, das uns mit dem Flughafen verbindet, und wir können dieses Gummiband zwar dehnen, aber nicht zerreißen.
    Dad, schalte um Himmels willen endlich in den Vierten.
    Er sieht mich an, als ob er sagen wollte: Den vierten was.
    Gang.
    Er schaltet.
    Ich wusste nicht, dass Herrje die Abkürzung von Jesus ist, sage ich und starre aus dem Fenster.
    Das ist nicht die Abkürzung von, sondern ein Euphemismus für Jesus.
    Aha .
    Spar dir deinen Sarkasmus. Ein Euphemismus …
    Ich weiß, was ein Vermissmus ist.
    Weißt du nicht.
    Wahrscheinlich wenn man eins sagt, aber in Wahrheit was ganz anderes meint.
    Äh, ja.
    Also dasselbe wie Sarkasmus.
    Nein.
    Jetzt hat er sich verheddert. Sehr gut. Das lenkt ihn ab.
     
    I ch weiß nicht, wie viel Mal Onkel Thoby nicht gekommen ist. Es kommt mir vor wie fünf. Aber vielleicht waren es auch nur drei. Raus zum Flughafen. Klopf klopf an die Wer-ist-da-Wand. Keine Antwort. Kein Onkel Thoby. Im viel zu kleinen Gang nach Hause. Keine Shepherd’s Pie zum Essen.
    Für mich ist Onkel Thoby so etwas wie eine Kreuzung zwischen einem Schäfer, der gern Fleischpasteten isst, und einem schwarzen Schaf. Schwarzes Schaf, befinde ich, ist ein Vermissmus für den weniger geliebten Sohn.
    Wenn ich ins Bett gegangen bin, telefoniert mein Dad oft stundenlang. Seine nervige Telefonstimme kommt aus dem Heizungsschlitz. Am nächsten Morgen erzählt er mir, dass Onkel Thoby die Grippe habe. Darum sei er nicht gekommen. Er sei schon in Heathrow gewesen und habe eben an Bord der Maschine gehen wollen, als ihm schlecht geworden sei und er sich auf der

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