Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman
Gebrauchsanweisung warf ich weg. Also echt. So blöd kann man doch gar nicht sein. Man teilt das Spiel in zwei Hälften, legt die eine auf die eine Seite, die andere auf die andere und drückt den roten Knopf. Dann wird es laut. Das Ding klingt wie ein Rasenmäher, der über einen Stein fährt. Und dann, ta-tah, fliegen die Karten durchs ganze Zimmer.
Ist das der Kartenmischer, rief mein Dad von unten.
Kein Kommentar.
Woher hast du die Neun-Volt-Batterie.
Und so muss ich mich anbrüllen lassen, weil wir alle bei lebendigem Leib in unseren Betten und Terrarien verbrennen könnten, ohne dass der Feuermelder unseren gleichnamigen Tod mit seinem süßen Klang begleitet.
Apropos Betten. Wegen dem neuen Bett gibt es reichlich Trara. Das neue Bett hat auf allen vier Pfosten Kugelknäufe. Ich habe Smileys auf die Knäufe gemalt. Damit Onkel Thoby sich auch bei uns auch richtig wohlfühlt.
Mein Dad sieht die komischen Gesichter und findet das gar nicht komisch. Er schüttelt den Kopf.
Ich schüttele auch den Kopf. Was.
Diese Knäufe sind aber nicht sehr schön.
Ich finde sie schön.
Du hast sein Bett verschandelt.
Ich trete gegen das Bett. Böses Bett.
Ab in dein Zimmer.
Und so gehe ich ab durch die Mitte, in mein Zimmer und trete wütend nach den Karten, die auf dem Fußboden verstreut liegen. Später nehme ich einen dicken Filzstift, schleiche mich ins Gästezimmer und male den Smileys Vampirzähne.
An dem Tag, an dem Onkel Thoby endlich kommen soll, kauft mein Dad lauter Pflanzen. Was ich nun wieder komisch finde. Wir haben nämlich noch nie Pflanzen im Haus gehabt. Und jetzt müssen wir plötzlich zu Canadian Tire hetzen, Pflanzen kaufen, die aussehen, als hätte man sie scheibchenweise aus einer Hecke gesäbelt, und sie in allen vier Ecken des Wohnzimmers, auf der Treppe und dem Flur im ersten Stock aufstellen.
Onkel Thoby mag Pflanzen, sagt mein Dad. Das kann ja heiter werden.
Der Countdown hat begonnen. Das Gästezimmer ist fertig. Wedge ist gekämmt und toupiert. Ich bin gekämmt, benetzt und behelmt. Ich stelle mich mit dem Rücken zum Drehspiegel und sehe mir über die Schulter.
Spieglein, Spieglein fern der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land.
Mein Dad kommt vorbei. Bleibt stehen. Zeigt mir einen Vogel. Wir fahren zum Flughafen, nicht in den Pferdestall.
Der Pferdestall ist gleich neben dem Flughafen.
Ach ja.
Ja.
Gut. Er verschwindet in der Küche. Es ist halb drei. Fahren wir.
Halb drei – zweifelsfrei, sage ich, als wir ins Auto steigen, aber nicht einmal das vermag ihm ein Lächeln zu entlocken. Er sagt nur: Anschnallen, und lässt den Motor an.
Da wir eine Dreiviertelstunde zu früh sind, bleibt noch genügend Zeit für eine Portion fetttriefende Fritten mit Bratensoße aus dem IM BISS. Mein Dad mag keinen IM-BISS-Imbiss. Ich fuchtele ein paarmal mit einer Fritte vor seiner Nase herum, und er schlägt danach, als sei die Fritte eine Fliege.
Meine Damen und Herren. Die Maschine aus London ist gelandet.
Mein Dad springt auf. Er ist ein Herr. Ich bin eine Dame. Ich stopfe mir die restlichen fünf Fritten in den Mund und renne ihm hinterher.
Ich hüpfe auf das Gepäckkarussell und werde prompt wieder heruntergehoben. Was steht auf dem Schild.
FAHRTEN MIT DEM GEPÄCKKARUSSELL SIND STRENG VERBOTEN, AUCH WENN ES KARUSSELL HEISST.
Mein Dad trägt Jeans und dazu ein elegantes weißes Hemd. Seine Haare sind ganz weich und flauschig. Ich drücke ihn ganz fest, bevor er mich absetzt. Ich rülpse Bratensoße.
Ein paar Damen und Herren lächeln über meine Kopf bedeckung. Ich lege zum Gruß die Hand an den Schirm.
Okay, ich habe mir vorgenommen, Onkel Thoby nicht nach seinem Arm zu fragen, sonst kriegt er am Ende noch ein Trauma. Ich werde den Arm gar nicht beachten. Oder allerhöchstens ein klitzekleines bisschen.
Die Passagiere aus England kommen nicht den ziegelrot gefliesten, mit einem Seil auf Stelzen abgesperrten Gang herunter. Stattdessen kommen sie hinter einer Wand hervor, wenn sie durch den Zoll sind. Ich habe vergessen, was der Zoll ist. Der Zoll, sagt mein Dad, ist eine Polizei, die dafür sorgt, dass man keine gefährlichen Sachen aus dem nicht-kanadischen Ausland nach Kanada schmuggelt.
Was zum Beispiel.
Äh. Zum Beispiel Fleisch.
Fleisch! Aber in Kanada haben wir doch auch Fleisch.
Schon. Aber nur unser eigenes.
Aha.
Apropos Fleisch, haben wir die Shepherd’s Pie aus dem Gefrierfach geholt.
Ja.
Das habe ich dich schon mal gefragt, nicht.
Ja.
Die Wand, die
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