Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman

dazu, das sieht, was für einen großen Pillermann du hast, und das dich im letzten Moment vor dem Löwen rettet, weil sie unbedingt deinen wunderschönen, riesengroßen Pillermann retten will.« Colin wurde rot, doch Lindsey ließ sich nicht ablenken. »Am Anfang musst du mal pinkeln; in der Mitte pinkelst du; und am Ende, nach Romantik und Abenteuer, wird dein Pillermann durch den Mut einer jungen Frau vor dem Schlund eines hungrigen Löwen gerettet, deren Motiv die Liebe zu riesigen Pimmeln ist. Und die Moral der Geschichte, wenn du eine heroische Frau hast und einen großen Pillermann, wirst du aus den schlimmsten Bedrängnissen gerettet.«
    Als Colin fertig gelacht hatte, legte er die Hand auf Lindseys. Er ließ sie einen Moment dort, und er spürte die raue Stelle, wo sie an ihrem Daumen nagte. Dann zog er die Hand weg und sagte: »Mein Theorem soll die Geschichte erzählen. Jeder Graph hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende.«
    »Aber in der Geometrie steckt keine Romantik«, entgegnete Lindsey.
    »Wart’s ab.«
     
     
Der Anfang (der Mitte)
    Katherine I. trauerte er nicht lange hinterher. Tatsächlich machte ihn die Trennung nur deshalb traurig, weil eine Trennung nach diesem Gefühl verlangte . Kleine Kinder spielen Haus; sie spielen Krieg; sie spielen Beziehungen. Ich will mit dir gehen; du hast Schluss gemacht; ich bin traurig. Aber nichts davon fühlte sich wirklich so an.
    Weil Katherines Vater Colins Tutor war, sahen Colin und Katherine einander auch in den nächsten Jahren regelmäßig. Sie verstanden sich gut – doch es war keineswegs so, dass er sich nach ihr verzehrte. Er vermisste sie nicht genug, um eine Obsession mit ihrem Namen zu entwickeln und sich deswegen wieder und wieder und wieder 52 mit ihren Namensbasen einzulassen.
    Und doch, genau das passierte. Zunächst steckte keinerlei Absicht dahinter – es war nichts als eine Kette seltsamer Zufälle. Die Geschichte wiederholte sich. Er lernte eine Katherine kennen, und sie gefiel ihm. Und er gefiel ihr. Und dann, irgendwann, machte sie Schluss. Als das Ganze dann eindeutig kein reiner Zufall mehr war, begann sich sein Leben in zwei einander abwechselnde Phasen zu unterteilen – die eine (mit Katherines zusammen zu sein) wollte er beibehalten, die andere (von Katherines sitzen gelassen zu werden) wollte er beenden. Doch der eine Zyklus ließ sich unmöglich vom anderen trennen. Colin konnte einfach nichts dagegen tun, und irgendwann wurde es beinahe Routine. Jedes Mal durchlebte er von Neuem die gleichen Gefühle – Wut, Reue, Verlangen, Hoffnung, Verzweiflung, Verlangen, Wut und Reue. Eine Erkenntnis, die ihm das Sitzen-gelassen-Werden im Allgemeinen verschaffte, und speziell das Sitzen-gelassen-Werden von Katherines, war, wie unglaublich monoton die Sache war.
    Genau deshalb ist man es als Freund irgendwann leid zuzuhören, wenn Sitzengelassene über ihre Probleme reden wollen: Sitzengelassen werden wiederholt sich, es ist vorhersehbar und langweilig. Sitzengelassene wollen für immer Freunde bleiben, Sitzen gelassene sind immer am Boden; immer geht es um sie, nie um dich; und am Ende bist du am Boden, und sie sind erleichtert. Für sie ist es vorbei, aber für dich fängt es erst an. Und bei Colin gab es noch eine weitere Wiederholung: Katherines ließen ihn sitzen, weil sie einfach aufhörten, in ihn verliebt zu sein. Jede einzelne von ihnen kam zu dem gleichen Schluss. Colin war doch nicht so cool oder so schlau oder so besonders, wie sie gehofft hatten – kurz, Colin war nicht wichtig genug. Es war immer das Gleiche, bis es öde wurde, nur dass Eintönigkeit nicht weniger schmerzhaft ist. Im ersten Jahrhundert u.Z. wurde die heilige Apollonia von den römischen Behörden bestraft, indem man ihr mit einer Zange jeden Zahn einzeln ausschlug. Daran musste Colin im Zusammenhang mit der Monotonie des Sitzen-gelassen-Werdens häufig denken. Wir haben zweiunddreißig Zähne. Wenn einem jeder Zahn einzeln zertrümmert wird, wiederholt es sich wahrscheinlich nach einer Weile und wird öde. Aber es tut nicht weniger weh.

Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
     
     
    [10]    Am nächsten Morgen war Colin so müde, dass er den Hahnenschrei verschlief und erst um acht aufwachte. Als er nach unten kam, lag Hollis tief schlafend auf der Couch, in ein pinkfarbenes hawaiianisches Mu’umu’u gehüllt. Ein Haufen Papiere lag auf ihrer Brust und auf dem Boden verstreut. Leise schlich Colin an ihr vorbei